MAINZ – Jahrelang lag er in einem verschlossenen Tresor, und niemand wusste, wo der Schlüssel dafür war. Als dann nach Aufbruch des Tresors ein historischer Bericht ans Tageslicht kam, erhellte er die Vergangenheit der evangelischen Kirche in Mainz. Denn er beschrieb, wie es zur Gründung der ersten evangelischen Gemeinde gekommen war. Am 2. Mai 1802 konnte sie ihren ersten Gottesdienst in der (damaligen) Altmünsterkirche feiern. Aus diesem Anlass wurde hier am 2. Mai 2018 Geburtstag gefeiert – mit zwei Poeten, Gästen aus Erfurt, süßen Stückchen und einem Glas Sekt.
Bevor Napoleon 1802 Religionsfreiheit garantierte und die Evangelische Kirche anerkannt wurde, war die Situation der Protestanten in Mainz eher unbefriedigend. Die Stadt war katholisch geprägt, die wenigen evangelischen Christinnen und Christen – es sollen einige Hundert gewesen sein – mussten sonntags mit dem „lutherischen Omnibus“ nach Biebrich fahren, um dort gemeinsam Gottesdienst zu feiern.
Mit der Religionsfreiheit kam auch die Idee einer Gemeindegründung auf. Das Besondere: Die evangelischen Lutheraner taten sich mit den evangelischen Reformierten zu einer gemeinsamen protestantischen Kirche zusammen. Und der Präfekt von Napoleon, Jeanbon St. André, überließ ihr die Altmünsterkirche als Gottesdienstort.
Bei der Feier des 216. Geburtstages las Dekan Andreas Klodt den Gründungsbericht – er wurde vor rund 150 Jahren verfasst – in Abschnitten vor, dazwischen spielte Dekanatskantor Volker Ellenberger auf der Orgel, und immer dann, wenn in dem historischen Text ein markanter Satz vorkam, trug ein „Poetry Slammer“ eigene gedichtete Gedanken vor. „Die Intoleranz soll niemanden mehr von den Ufern des Rheins verscheuchen.“