Nackenheim – Sein Humor kommt trocken und treffsicher, sehr plötzlich und manchmal auch gesalzen – auch im Gottesdienst. Dann sagen die katholischen Gläubigen von St. Gereon: Heute hat er wieder „geschennt“. Pfarrer Reinhold Ricker ist in 24 Jahren Teil seiner Gemeinde geworden. Am 14. Oktober wird er feierlich in den Ruhestand verabschiedet. Die Nackenheimer bedauern dies sehr. „Ich bin gern hier und ich mag auch die Nackenheimer sehr gern, aber einmal muss es ja sein“, resümiert er lakonisch im Gespräch mit der Lokalen Zeitung. Zwischendurch klingelt das Telefon häufig, hinter ihm sieht man den Jahreskalender an der Wand, vollgeschrieben und mit Haftnotizen beklebt. Der Computer, die „Höllenmaschine“, läuft, daneben eine Jesusfigur und das Brevier.
Den Menschen im Blick
Der Eindruck, den er in diesem Gespräch hinterlässt: Hier ist ein Mensch, ein gläubiger, und sein seelsorgerisches Handeln hatte immer auch den Menschen im Blick. Einer, dem man vertrauen kann und der auch mutig genug ist, menschliche Schwächen zu zeigen. „Manchmal wollte ich weg“, räumt er ehrlicherweise ein. Dann sagten die Nackenheimer: „Jetzt droht er wieder.“ Aber er blieb, 24 Jahre lang. Beim Erzählen denkt Ricker auch seine Anfänge, seine Wurzeln zurück, spricht über sein theologisches Verständnis und wie er Seelsorge betrieb. Seelsorge, das ist überhaupt sein Ding. Der verstorbene Mainzer Weihbischof Dr. Werner Guballa war sein enger Vertrauter.
Wir alle sind die Kirche
„Ich habe immer versucht, mit den Menschen zu leben, Freud` und Leid mit ihnen zu teilen“, sagt Ricker. Das geschehe beileibe nicht nur im Gottesdienst oder in der persönlichen Betreuung, wenn jemand gestorben ist. Ricker nutzte auch immer die Gelegenheit zum Gespräch bei den ganz alltäglichen Dingen: beim Spaziergang mit seinem geliebten Terrier Timmy, beim Einkaufen, auf der Straße. „Mein Hund ist das Medium, so erreiche ich auch die, die nicht in die Kirche gehen.“ Und er fügt an: „Wir müssen heute als Kirche auf die Menschen zugehen und ihre Not wahrnehmen.“ Sagt aber jemand, die Kirche müsse sich ändern, dann gibt Ricker zur Antwort: „Wir sind doch die Kirche, dann fang mal an.“
Seelische Vorbereitung
Sein Beruf bringt auch sehr Schweres mit sich. Gleich zu Beginn als Diakon hatte er es mit einem Suizid zu tun, einem sehr grausam ausgeführten dazu. Dazu befindet Ricker: „Da kann ich nicht in ein Buch gucken. Als Pfarrer muss man Schwimmer sein.“ Die Zeit im Priesterseminar dagegen bezeichnet er eher als Oase. „Da schwimmt man so mit.“ Schon als Kriegsdienstverweigerer in einer neurologischen Klinik kam er ganz nah mit dem Tod in Kontakt. Das bereitete ihn seelisch vor.
Berufswahl und Berufung
Doch nicht von Anfang stand die Berufswahl fest. Als jüngstes Kind in der Familie, sie hatten eine Bäckerei, sollte er diese später übernehmen. Wegen eines Herzklappenfehlers, von einer frühen Diphterie herrührend, aber sagten die Ärzte „nein“. Sein Heimatpfarrer in Rembrücken habe ihn sehr geprägt. Ihm wollte er nacheifern, war Organist, Küster, bei der Katholischen Jugend. Der Vater meinte dazu: „Du kannst Pfarrer werden, aber erst lernst du einen richtigen Beruf.“ So kam es, dass Reinhold Ricker Industriekaufmann wurde, in der Finanzbuchhaltung und auch im elterlichen Betrieb arbeitete, bevor er mit dem vom Vater spendierten Opel Manta als „Spätberufener“ zum Clemens-Hofbauer-Kolleg nach Bad Driburg in Ostwestfalen aufbrach. Er studierte in Mainz und Wien.
Im Ruhestand will er viel lesen, Biographien vor allem, sich seinem Hund widmen und vielleicht noch mehr Tiere anschaffen, auf jeden Fall aber ein Aquarium, und sich aus der Gemeindearbeit völlig zurückziehen.