Mombach – Zum Start besichtigen die Teilnehmer der Führung „Als die Linie Schwung bekam – Jugendstil in Rheinhessen“ die Evangelische Friedenskirche in Mombach. Das unter Denkmalschutz stehende Gotteshaus wurde von 1910 bis 1911 im neuklassizistisch geprägten Jugendstil erbaut. Es entstand ein funktionaler Zentralbau mit integriertem Kindergarten, Gemeinderäumen sowie Pfarrhaus und Pfarrbüro.
Der Mainzer Architekt Reinhold Weisse, Schüler des bekannten Darmstädter Landeskirchenbaumeisters Friedrich Pützer, wurde beauftragt, ein Gebäude nach den Maßgaben des Wiesbadener Programms zu entwerfen, d.h. ein Versammlungshaus für die feiernde Gemeinde zu gestalten. Durch die Veranstaltung führte unterhaltsam Barbara Reif – Kultur- und Weinbotschafterin von Rheinhessen. Hintergründe zum Thema Jugendstil erfuhren die Besucher von ihr im Anschluss im Café Malete. Dort gab es von vielen Ehrenamtlichen serviert Speisen für Leib und Seele, wie Annelen Scherer kundtat. Reif und Hausherr Pfarrer Jens Georg zeigten anschaulich anhand eines Plakats wie der Altarraum vor dem Umbau in den 60er aussah.
„Das Kunstverständnis war vor 60 Jahren ein anderes als heute“, so Pfarrer Jens Georg. Ursprünglich war der Gemeinderaum ein Ensemble, in der Gustav-Adolfs-Kirche. Architekt Weisse verband den Kanzelaltar mit der darüber liegenden Orgel und der Sängerbühne zu einer optischen Einheit.
Die zentrale, über zwei symmetrische Treppenaufgänge zu erreichende Kanzel aus Holz dominierte den erhobenen Altar. Gut, der Pfarrer war nicht nahe bei den Menschen, er predigte von oben herab. Der heutige Hausherr Georg wünschte sich für die Zukunft einen Höhenausgleich, schön fände er es, wenn die Empore wieder rund herum liefe.
Auch die Lutherrose hatte dort ihren Platz. Nicht nur originale Kassettendecke mit der Schablonenmalerei, selbst die Fenster hatten den Krieg überstanden. Die Einweihung fand nach zwanzigmonatiger Bauzeit am 22. Oktober 1911 in Anwesenheit von dem damaligen regierenden Großherzog von Hessen Ernst Ludwig und Großherzogin Eleonore statt. Der Pfarrer holte antike Schalen und Kelche aus einer Vitrine und jeder Besucher konnte diese Kunstgegenstände des Jugendstils in den Händen halten. Jugendstil bezog sich nicht nur aufs Bauen selbst, sondern auf das gesamte Leben.
In ihrem Lichtbildvortrag im Caritas Haus St. Rochus stellte Barbara Reif die Großherzogliche Wasserversorgung mit den Pumpwerken, den hessischen Landschulbau, imposante Bahnhöfe, Arbeitersiedlungen, alles im Heimatstil gehalten, in Rheinhessen vor. Alles entstanden zwischen 1890 und 1920. In Mainz kann man daher im Ernst-Ludwig-Viertel/ Rheinalleen den Jugendstil an manchen geschwungenen Giebeln und anderen Jugendstilelementen erkennen. Der Erlös der Veranstaltung kam zu gleichen Teilen der Friedenskirche und dem Café Malete zugute.