Bodenheim – Im „wunderschönen neoklassizistischen barock-angehauchten Prachtbau in Bodenheim“, schmeichelt sich Kai Magnus Sting vorsorglich beim Publikum ein. Er verwertet alles, was er hört und sieht, sogar während der Vorstellung macht er sich Notizen für ein andermal. Bei aller Höflichkeit unterlässt er es aber nicht, die Präsidentin der VG-Kulturfrauen zu korrigieren. Anne Jaeger hat ihn bei der Begrüßung im Dolleskeller nach Bochum verortet. „Ich wohne in Duisburg“, macht er klar.
Die letzte Kabarettvorstellung für 2018 bringt den Kulturfrauen volles Haus und ist ein absoluter Haupttreffer. „Kabarett. Was sonst?!“ lautet der Titel des Programms. Und dann startet Sting wie ein Wasserfall. Der Verkehr, die Autobahnen, da musste er in München in aller Herrgottsfrühe aufstehen. „Die gibt es ja noch in München, die Herrgottsfrühe“, fällt ihm dazu ein. Und noch etwas von einem Anschlag, nein, es war kein Anschlag, eher ein Schild, und er kommt nicht zu Potte. Apropos Pott, das Ruhrpott-Programm hat sich Jaeger gewünscht, aber nicht bekommen, dafür gibt es noch was von der „Omma“ am Ende.
So wie sich Kai Magnus aufregt über dies und jenes, die Welt und die kleinen und großen Hindernisse, ist er zum Schreien komisch, „der leicht dickliche 40-Jährige, der nur sitzt und vom Blatt liest und das war´s“, wie er sich selbst beschreibt. Auch die Vertreterin der Lokalen Zeitung wird nicht verschont bei seiner Kontaktaufnahme zum Publikum. Immer weiter Gefallen daran findend, macht er das Klicken des Auslösers der Kamera nach. Zffz, zffz, zffz. Ein Konzept ist nicht erkennbar, aber das Publikum lacht und lacht. Irgendwie hat er ein Geheimnis, der Geschichtenerzähler. Viel macht hier die Darstellung wie beim Running Gag des Abends, wo er dieselben Sätze immer wiederholt. Dass ihm nämlich in letzter Zeit beim Schreiben immer die Zunge „so´n Stücksken“ rausfällt. Voriges Jahr sei das noch nicht so gewesen. Und nun soll er auch noch Yoga machen.
„Der Yoga hat sich 40 Jahre nicht um mich gekümmert“, die Aufregung treibt ihm die Röte ins Gesicht und dann lässt er die Stimme kippen. Diese Schau hält er tatsächlich zwei Stunden durch. Existenzielle Fragen weiß er nicht zu beantworten. „Was ist im Körper los, dass die Haare sagen, ab heute wachsen wir aus den Ohren?“ Doch was Handkäs` bewirkt, weiß er: „Dass die Bettdecke konstant zwei Zentimeter über dem Körper schwebt.“
Und er schwärmt von politisch nicht korrekten Negerkussbrötchen, die, wie er gerade von einer Besucherin erfährt, in Bodenheim „Gedaschte“ heißen. Und so wie das Auslösergeräusch zuvor ahmt er das Wort nach, steigert sich bis zum mehrfach geschrienen „Gedatschtääää“. Überhaupt kam früher einfach das Essen auf den Tisch und fertig. Heute müsse alles ein Event sein, man koche gemeinsam. „Ich will in solche Prozesse nicht involviert sein“, macht Sting seine Haltung dazu klar. Und surft weiter in irrem Tempo entlang der „komischen Dinge, den großen Kleinigkeiten anderen Stückskes meines komplett absurden Alltags“. Und wie gut kann man ihn verstehen, wenn er beim Lesen des Autobahnschildes „Wir bauen für Sie . . .“ einfach nicht will, dass jemand, den er nicht kennt, etwas für in baut. Und dass er auf die Fotos von Serviervorschlägen auf den Fertiggerichten nicht mehr hereinfällt. „Das ganze Leben ist ein Serviervorschlag“, führt er am Ende aus. „Es kommt nur darauf an, was man daraus macht.“