MAINZ – Die Gruppe, die sich auf Einladung des Evangelischen Dekanats Mainz an der Heunensäule trifft, möchte nicht ins Mainzer Marktleben eintauchen, sondern tief in die Geschichte der Stadt und der Evangelischen Kirche. Der Stadtgang zu Reformation und Revolution unter Leitung von Isa Mann von der Evangelischen Erwachsenenbildung und Gregor Ziorkewicz, Stadtkirchenpfarrer an St. Johannis, beginnt im Schatten des Domes und führt über mehrere Stationen bis zum Erthaler Hof in die Schillerstraße.
„Eines ist sicher: Luther war nie in Mainz, war und ist hier aber sehr präsent“, erläutert Ziorkewicz und bringt den rund 20 Interessierten Albrecht von Brandenburg, Kardinal und Erzbischof von Magdeburg und Mainz und Dienstvorgesetzter Luthers, näher. Der hatte sich zunächst dem humanistischen Gedanken geöffnet, wurde aber dann doch zum Förderer des Ablasshandels und zu Luthers Gegenspieler.
Der Mainzer Bevölkerung stiftete er den Mainzer Marktbrunnen nach dem Ende des Deutschen Bauernkrieges im Jahr 1525. Während sich das Markttreiben seinem Ende nähert, nähert sich die Gruppe einem ersten Höhepunkt der Führung: dem Besuch von St. Johannis. Seit 2013 ist die evangelische Kirche zur Grabungsstätte geworden. „Dass wir bei Arbeiten hier etwas finden, war klar“, sagt Ziorkewicz, „aber das hier so ein Schatz liegt, damit hätten wir nicht gerechnet.“
Die Johanniskirche ist die älteste Kirche in Mainz. Ihre Wurzeln reichen bis in die merowingische Zeit zurück, 1036 war hier die Bischofskirche des Erzbistums Mainz, weshalb sie heute auch „Alter Dom“ genannt wird. 1828 wurde sie von der evangelischen Gemeinde übernommen. Schichtenweise graben sich die Archäologen hier seit Jahren in die Tiefe. Mittlerweile wurden mehr als 500.000 kleine und große Fundstücke erfasst und sortiert: Knochen- und Putzreste, Keramik, Schieferteile, Holzkohle. Größere Funde wie etwa das jüngst gefundene antike Kapitell erhalten einen Fundzettel. Datiert und ausgewertet werden die Funde später.
Dann führt Isa Mann zum Proviantamt. Hier geht es um Friedrich Karl Joseph Reichsfreiherr von Erthal, Kurfürst und Erzbischof, der eigentlich 1774 gewählt worden war, um die Restauration in Mainz voranzubringen. Und er löste 1781 die drei reichsten Mainzer Klöster auf – Altmünster, Kartause und Reichklara – und überführte deren Vermögen in den neu gegründeten Fond der Universität. Er lud interessante Professoren ein, unter anderem 1788 als Bibliothekar Georg Forster, der in einem der sogenannten „Professorenhäuser“ wohnte. Eine Tafel zeugt noch heute davon.
Dann ist der Stadtgang, der einmal im Jahr stattfindet, zu Ende und die Teilnehmenden tauchen aus der Vergangenheit auf und kehren in die belebte Mainzer Innenstadt der Gegenwart zurück.