KELKHEIM – Ein Ende der humanitären Hilfe im Ahrtal ist noch lange nicht absehbar. Im Oktober haben die Malteser das erste Fluthilfebüro in Kreuzberg eröffnet, ein weiteres kam Anfang November in Schuld hinzu. Hier finden Betroffene eine Anlaufstelle im Schadensgebiet. Darüber hinaus koordiniert die im Juli eingerichtete Malteser-Einsatzzentrale in Koblenz weiterhin die Verteilung von Sachspenden und die Versorgung mit Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Gleich zu Beginn hat der Malteser Hilfsdienst begonnen, Betroffene mit dem Wichtigsten zu versorgen – vor allem dringend benötigte Sachmitteln, immer ausgerichtet am jeweiligen Bedarf, „viele hochwertige technische Geräte wie Hochdruckreiniger, Dampfstrahler, Stromerzeuger, Bautrockner und Werkzeuge, Waschmaschinen und Wäschetrockner, Arbeitskleidung – aber auch Lebensmittel“, berichtet Dr. Doris Borchmeyer, Kreisbeauftragte Main-Taunus-Kreis des Malteser Hilfsdienstes. Derzeit würden vor allem Heizradiatoren gebraucht.
Ehrenamtliche spenden Zeit
Zusätzlich zu Sachspenden sei die Bereitschaft von ehrenamtlich Helfenden in der Fluthilfe Zeit zu spenden und persönlich vor Ort mit anzupacken von Anfang sehr hoch gewesen, sagt Borchmeyer. „Ob die Besetzung der Telefonzentrale in Koblenz, die Bearbeitung von Anfragen per E-Mail, Sachspenden in Ahrtal ausliefern oder Material beschaffen – auch die Gliederung Kelkheim hat in den vergangenen Monaten viele ehrenamtliche Stunden geleistet“, freut sich die Kreisbeauftragte über die Hilfsbereitschaft.
„Mich hat sehr beeindruckt, mit welch großem Engagement sich unsere Helferinnen und Helfer auf diese Situation eingelassen haben“, so Malteser-Kreisbeauftragte Doris Borchmeyer. „Wenige Stunden nach der ersten Alarmierung waren die ersten Helfer aus dem Main-Taunus-Kreis bereits auf dem Weg ins Hochwassergebiet, da wusste noch niemand, was auf sie genau zukommen würde.“ Jeder und jede Ehrenamtliche sei entsprechend der persönlichen Qualifikationen und Fähigkeiten eingesetzt worden, betont Borchmeyer. „Vor der Abfahrt ins Hochwassergebiet wurde auf die Angebote der Psychosozialen Notfallversorgung hingewiesen, bei der Rückkehr daran erinnert und im Laufe der Wochen wurden immer wieder die Kontaktdaten für die ‚Hilfe für Helfer‘ kommuniziert. Auch unsere eigene PSNV-Gruppe wurde mehrfach in Anspruch genommen.“
Kelkheim auch mit Helfern auf zwei Rädern
Ein Kelkheimer Helfer, der schon viele Stunden des freiwilligen Einsatzes hinter sich hat, ist Nicolai Friederici: Im Hauptberuf Lehrkraft am Malteser Bildungszentrum in Wetzlar und Notfallsanitäter im Main-Taunus-Kreis, leitet Friederici ehrenamtlich die Malteser-Motorraddienste im Main-Taunus-Kreis. Auf Motorrädern durchs Schadensgebiet? Das überrascht und Friederici erklärt: „Im Rahmen des Katastrophenschutzes bei Krisenlagen vor Ort und von Sanitätsdiensten – zum Beispiel bei großen Veranstaltungen wie Konzerten, Sport-Events oder Kirmestreiben – ist die Hauptaufgabe der Helferinnen und Helfer der Motorraddienste, verletzten und verunfallten Menschen zu helfen.“
Zerstörte Infrastruktur war Herausforderung für schwere Fahrzeuge
Unterspülte Straßen, weggerissener Asphalt und Abrissarbeiten an Gebäuden machten die Hilfe im Ahrtal mit schwerem Gerät zu einer Mammutaufgabe. „Wer morgens ins Schadensgebiet gefahren ist, um Hilfsgüter auszuliefern oder den Bedarf bei den Menschen vor Ort aufzunehmen, konnte sich nie sicher sein, was ihn erwartet“, erklärt Nicolai Friederici. Aufgabe der Ehrenamtlichen auf ihren Motorrädern sei einerseits gewesen, in Erfahrung zu bringen, welche Wege für Lkw oder Rettungswagen (RTW) benutzbar bleiben würden, und andererseits die Menschen zu erreichen, die aufgrund zerstörter Infrastruktur beinahe abgeschnitten waren von der Umwelt. „Die Motorräder haben erhebliche Vorteile gegenüber anderen Fahrzeugen, weil sie schneller und wendiger sind und über Wege anfahren können, die für andere Fahrzeuge ungeeignet sind. Auch werden Motorraddienste ähnlich wie Sanitäter der Fußstreife eingesetzt, um schnell dort helfen zu können, wo ein Mensch in Not geraten ist. Diese Fahrzeuge sind medizinisch entsprechend ausgestattet.“
Seit 2013 ist Nicolai Friederici ehrenamtlich bei den Maltesern im Main-Taunus-Kreis tätig – eine „ideale Verbindung von Hobby und Beruf und die Möglichkeit, bestimmte Einsatzmöglichkeiten zu bedienen, die mit dem RTW nicht möglich sind“.
Helfende sammeln Eindrücke, die prägen
Welche persönlichen Eindrücke haben Sie aus dem Ahrtal mitgebracht? Nicolai Friederici: „Unglaublich gut vernetzte Bürgerinnen und Bürger, die trotz extremer Schicksalsschläge und Zerstörung der eigenen Existenz immer noch die Kraft aufbringen, ihren Nachbarn zu helfen, und bereit sind, das wenige, was sie noch haben, zu teilen.“ Der Einsatz der Motorradstaffel ist zwar seit Anfang September beendet, aber als Notfallsanitäter kann er sich „durchaus noch Dienste im Ahrtal“ vorstellen.
Auch Doris Borchmeyer hat die Eindrücke noch heute deutlich vor Augen: „Die Bilder im Fernsehen haben wir ja alle gesehen. Aber wenn man durch diese verwüsteten Gebiete fährt, wirkt alles ganz anders – das Ausmaß der Zerstörung ist kaum vorstellbar, und es ist ein Geschenk, wenn man dann in die eigene heile Umgebung zurückkehren kann.“ Zugleich sei sie sehr bewegt von der „unglaublichen Hilfsbereitschaft und dem Miteinander im Ahrtal. Alle helfen allen, auch wenn es einem selbst den sprichwörtlichen Boden unter den Füßen weggezogen hat. Alle gehen freundlich miteinander um. Denn alle dort Anwesenden kämpfen für dasselbe Ziel. Auch wenn man daran manchmal Zweifel hat: Füreinander da zu sein, ist in unserer Gesellschaft tief verankert, und wir als Gemeinschaft funktionieren noch!“
Kontakt für ehrenamtlich Interessierte im Main-Taunus-Kreis: Dr. Doris Borchmeyer, Kreisbeauftragte Malteser Hilfsdienst e.V,, Telefon: 06195 911119, E-Mail: doris.borchmeyer-lehmann@malteser.org, Internet: www.malteser-kelkheim.de
Über die Arbeit der Malteser nach der Flutkatastrophe im Juli 2021:
Die Malteser haben in den ersten drei Monaten nach der Flut an 2.400 Haushalte im Ahrtal und NRW eine Soforthilfe in Höhe eines Gesamtwerts von knapp vier Millionen Euro ausgezahlt. Zudem wurden Bautrockner und weitere Hilfsgeräte an die Menschen ausgegeben, um die Häuser wieder zu trocknen. Neben der Unterstützung bei der Antragstellung auf staatliche Hilfe können Menschen, denen die Leistung des geforderten Eigenanteils nicht zugemutet werden kann, weitere Malteser-Finanzhilfen erhalten: https://www.malteser.de/fluthilfe.html
Malteser Hilfsdienst:
Der Malteser Hilfsdienst ist mit über einer Million Mitgliedern und Förderern einer der großen caritativen Dienstleister in Deutschland. Die katholische Hilfsorganisation ist als eingetragener Verein (e.V.) und gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) bundesweit an mehr als 700 Orten vertreten. 1953 durch den Malteserorden und den Deutschen Caritasverband gegründet, steht der christliche Dienst am Bedürftigen im Mittelpunkt der Arbeit.
Der ehrenamtlich geprägte Malteser Hilfsdienst e.V. ist entsprechend den Strukturen der katholischen Kirche in Diözesen gegliedert.
Malteser Kelkheim/Main-Taunus-Kreis:
Die Malteser im Main-Taunus-Kreis gibt es seit 1960. Aus den Erste-Hilfe-Kursen des Anfangs und ersten Sanitäts- und Betreuungseinsätzen ist eine breite Palette von Dienstleistungen geworden: Mehr als 400 Ehrenamtliche umfasst die Helferschaft aktuell. Die Malteser sind mit Sanitätsdiensten, dem Katastrophenschutz überall im Main-Taunus-Kreis aktiv, bieten Erste Hilfe- und Pflege-Kurse, Seniorendienste und Unterstützungsangebote für Pflegende an und haben eine Malteser Jugend-Gruppe. Außerdem sind sie am neuen Wachstandort am Ortsausgang von Eppstein Richtung Fischbach mit dem Rettungsdienst vertreten. Und mobil eingeschränkte Menschen sowie Menschen, die allein leben, können bei im Main-Taunus-Kreis einen Fahrdienst oder Krankentransport buchen oder einen Hausnotruf bestellen. Weitere Informationen: www.malteser-kelkheim.de
Silvia Bergmann
Malteser Hilfsdienst e.V.