MAINZ – Es ist ein Thema, das viele Seiten vor Herausforderungen stellt: Jedes Jahr verlassen Tausende Studierende die Hochschule ohne Abschluss. Doch wie wird mit Studienabbrechern umgegangen? Dazu sprachen wir mit Günter Jertz, Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen.
Wie viele Studienaussteiger gibt es jährlich in Rheinhessen?
JERTZ: Fast jeder dritte Studierende in Deutschland wechselt die Fachrichtung oder verlässt die Hochschule ohne Abschluss. Hochgerechnet auf die 48.500 Studierenden an den fünf rheinhessischen Hochschulen wäre das eine fünfstellige Zahl. Aber hier gibt es keine amtliche Statistik.
Was bietet die IHK, um Studienaussteigern eine berufliche Zukunft zu eröffnen?
JERTZ: Wir sind Initiator des rheinhessischen Netzwerks „Durchstarten Rheinhessen – Studienausstieg als Karrierechance“, das gemeinsam mit der Handwerkskammer Rheinhessen, der Agentur für Arbeit Mainz sowie den rheinhessischen Hochschulen und der VWA Mainz gegründet wurde. Die Initiative informiert Studienaussteiger über berufliche Möglichkeiten, die ihnen ohne Studienabschluss offen stehen. Wer zwei Jahre Berufserfahrung und 90 ECTS-Punkte mitbringt, kann auch direkt eine Weiterbildung mit IHK-Abschluss auf Bachelor-Niveau absolvieren. In Rheinland-Pfalz besteht auf dieser Grundlage sogar die Möglichkeit, sich anschließend in ein berufsbegleitendes, weiterbildendes Master-Studium einzuschreiben.
Wie sieht das konkret aus?
JERTZ: Im Mittelpunkt stehen die Studienaussteiger. Es gilt, ihre im bisherigen Studium erworbenen Kenntnisse wertzuschätzen, anzuerkennen und für ihre weitere berufliche Zukunft zu nutzen. Wir bieten ihnen an, eine verkürzte Berufsausbildung zu absolvieren. Dabei stehen ihnen alle Ausbildungsberufe offen.
Wie kommt das bei den jungen Leuten an?
JERTZ: Zu diesen Infoabenden kamen zuletzt über 100 Besucher. Viele von ihnen fällen dann auch Entscheidungen. Nach einer Studie gestaltet die Mehrheit der Studienaussteiger nach Verlassen der Hochschule ihren weiteren Bildungs- oder Berufsweg erfolgreich: Ein halbes Jahr nach Verlassen der Hochschule haben 43 Prozent von ihnen eine Berufsausbildung aufgenommen und 31 Prozent sind erwerbstätig.
Ein junger Mensch spielt mit dem Gedanken, das Studium abzubrechen. Was raten Sie: lieber durchhalten, oder so schnell als möglich abbrechen?
JERTZ: Weder noch. Es geht um die ganzheitliche Beratung, und da muss die individuelle Situation des Studierenden den Ausschlag geben. Er sollte deshalb mehrere Beratungsstellen aufsuchen, um seine eigene Situation aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Welche Stellen sind das?
JERTZ: Rund um das Thema „Studienausstieg“ informieren die Studienberatungen der rheinhessischen Hochschulen in Zusammenarbeit mit Beraterteam der Agentur für Arbeit und der IHK. Im vertraulichen Gespräch werden alternative Karrierewege aufgezeigt. Die Agentur für Arbeit erläutert die gesamte Palette der beruflichen Ausbildungsmöglichkeiten. Für den konkreten Übergang in die duale Berufsausbildung und den direkten Kontakt zu Unternehmen der Region stehen die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer beratend zur Seite.
Wie gut bzw. wie schlecht kommt es beim potenziellen Arbeitgeber bzw. Ausbilder an, wenn in der Bewerbung auf den Studienabbruch hingewiesen wird?
JERTZ: Studienaussteiger stellen ein Fachkräftepotenzial dar, das von Unternehmen gerne genutzt und geschätzt wird.