OPPENHEIM – Der Rücktritt von Stadtbürgermeister Marcus Held (SPD) hat unter anderem dazu geführt, dass vorzeitig ein neuer Rathauschef gewählt werden muss. Dies wird am 3. Juni der Fall sein. Zur Wahl steht ein einziger Kandidat: Walter Jertz. Wir sprachen mit dem 72-Jährigen über die schwierige Aufgabe, die als neuer Bürgermeister auf ihn zukommt.
Herr Jertz, da Sie der einzige Kandidat sind, könnte man Ihnen jetzt schon zur Wahl gratulieren!
WALTER JERTZ: Nein, dafür ist es noch zu früh. Es wird schließlich eine Wahl geben. Die Bürgerinnen und Bürger von Oppenheim können am 3. Juni auf ihrem Stimmzettel „Ja“ oder „Nein“ ankreuzen. Ich hoffe natürlich auf „Ja“.
Die Situation in Oppenheim ist sehr speziell. Finden Sie es gut oder richtig, dass die etablierten Parteien keine Kandidaten aufgestellt haben?
WALTER JERTZ: Die sogenannten etablierten Partien haben entschieden, dass sie keinen Kandidaten nominieren. Eine Begründung dafür ist mir nicht bekannt. Ich kann und will diese Entscheidung deshalb auch nicht bewerten.
Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?
WALTER JERTZ: Derzeit stelle ich ein Wahlkampfteam zusammen. Dies besteht aus Personen, die mir ihre Unterstützung signalisiert haben. Klar ist, dass es kein konfrontativer Wahlkampf werden soll.
Sie haben ein Alter erreicht, in dem Sie doch eigentlich Ihren Ruhestand genießen könnten. Warum noch einmal den Stress aufbürden, den das Amt unweigerlich mitbringt?
WALTER JERTZ: Die jüngsten Ereignisse in meiner Heimatstadt haben mich emotional berührt. Ich habe gespürt, dass Angst und Mutlosigkeit bei den Mitbürgerinnen und Mitbürgern zunehmend um sich gegriffen haben. Es wurde mehr übereinander geredet als miteinander. Oppenheim ist meine Heimat und ich bin in dieser Heimat tief verwurzelt, auch wenn ich mehr als 41 Jahre berufsbedingt nicht in Oppenheim gelebt habe.
Was hat Sie noch bewogen, bei der Wahl anzutreten?
WALTER JERTZ: Ich will Brücken bauen, die Menschen mitnehmen, ihnen zuhören und ich will die Vergangenheit aufarbeiten. Dazu gehört auch eine Analyse der offensichtlichen Misswirtschaft in Oppenheim. Die Stadt muss ihren immensen Schuldenberg abbauen, um wieder Luft zum Atmen zu haben.
Normalerweise gibt es einen geregelten Amtswechsel. Haben Sie dazu jetzt schon Kontakte zum Rathaus?
WALTER JERTZ: Ja, ich habe schon ein Gespräch mit Interimsstadtbürgermeister Helmut Krethe geführt. Zudem stehe ich in Kontakt zu verschiedenen Stadtratsmitgliedern Oppenheim und vielen interessierten Bürgerinnen und Bürger. Auch gibt es einen „Draht“ zur Verbandsgemeinde Rhein-Selz.
Aber im Prinzip fangen Sie mit einem Sprung ins kalte Wasser bei Null an?
WALTER JERTZ: Sie gestatten, dass ich mit der Beantwortung dieser Frage noch warte, bis die Wahl stattgefunden hat und zu meinen Gunsten ausgegangen ist.
Wie bereiten Sie sich darauf vor, eine Kommune mit rund 7500 Einwohnern und das Rathaus mit seinen Mitarbeitern zu leiten?
WALTER JERTZ: Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten. Ich lese die relevante Gesetzgebung, ich rede mit vielen Wissensträgern. Zudem habe ich mich auf eigene Kosten bei der Kommunalakademie Rheinland-Pfalz für einige vorbereitende Seminare angemeldet. Außerdem habe ich in meinem früheren Berufsleben Verantwortung für eine sehr große Anzahl von Personen in schwierigen und herausfordernden Situationen getragen. Und ich vertraue auf die Loyalität und das Wissen der derzeitigen Stadtratsmitglieder, die ja am 3. Juni nicht neu gewählt werden.
Werden Sie ausschließlich das Amt des Bürgermeisters bekleiden?
WALTER JERTZ: Ich bin seit Jahren ehrenamtlich in Oppenheimer Vereinen tätig, so zum Beispiel als Vorsitzender des Fördervereins der Freiwilligen Feuerwehr Oppenheim oder als Zweiter Vorsitzender im Orgelbauverein, den ich zuvor viele Jahre als Erster Vorsitzender geführt habe. Diese Ämter würde ich gerne weiterführen. Andere Ämter, die an das Amt des Oppenheimer Bürgermeisters gekoppelt sind, würde ich selbstverständlich ehrenamtlich führen.