BODENHEIM – Vor Kurzem hat sich Bodenheim auf den Weg gemacht, die Weichen für eine nachhaltig gesunde Zukunft aller Bodenheimer Generationen zu stellen. In der Ideenwerkstatt „Gesund und aktiv – Älter werden in Bodenheim“ (Journal LOKAL berichtete hier) wurden mehrere thematische Fokusgruppen gebildet, die sich intensiv um die Weiterentwicklung der Gemeinde zum Wohl der Bürger kümmern werden. Für das Generationennetzwerk Bodenheim koordiniert Gesundheitsmoderatorin Kerstin Thieme-Jäger ab sofort die Umsetzung der Ideen, die sich in den Fokusgruppen ergeben.
Nun lud als erste die Fokusgruppe „Naturschutz und Nachhaltigkeit fördern, Hitzeprävention schaffen“ alle Interessierten zu einem Treffen ein. Die Temperatur an diesem sonnigen Nachmittag passte mit 34 Grad jedenfalls perfekt zum Thema. Ziel war es, die Bürgerinnen und Bürger während einer Ortsbegehung mit Temperaturmessungen verschiedener Böden über die Auswirkungen von Hitzewellen zu informieren und erste Ideen der Prävention vorzustellen. Die Teilnehmer waren danach aufgerufen, ihre Vorschläge einzubringen und sie können auch die Möglichkeit nutzen, sich in der Fokusgruppe persönlich zu engagieren. Das zweite Treffen findet am 26. September um 17 Uhr in Bodenheim statt.
Zum vor-Ort-Termin hinter der Kapelle Maria Oberndorf in Bodenheim hatte Thieme-Jäger spannende Referenten eingeladen. Neben dem Beauftragten für Umwelt- und Artenschutz, Torsten Jäger, waren dabei Lucia Hofer aus dem Redaktionsteam der katholischen Gemeinde, die seit Jahren intensiv und weltweit zur Hitzeprävention recherchiert, und der Bodenheimer Historiker Andreas Frings, der über „überraschende“ Hitzeereignisse und deren Folgen in den USA und Kanada referierte. Naturschützer Jäger und mehrere Mitglieder der Naturschutzgruppe engagieren sich bereits in der Fokusgruppe, genauso wie Lucia Hofer.
Rund 20 Personen fanden sich bei 34 Grad zum Treffen beim Katholischen Kindergarten ein und mussten zunächst den Aufstieg in der prallen Sonne zur Kapelle Maria Oberndorf bewältigen. Dort startete Jäger die Messungen der verschiedenen Untergründe, um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich die Temperaturen auf versiegelten und naturbelassenen Flächen sind. Jäger zeigte dem staunenden Publikum, dass „die roten Pflastersteine 49 Grad heiß sind, der Asphalt 45 Grad, das kurz gemähte Gras 43 Grad und der von Bäumen dicht gesäumte Grillplatz angenehme 24,6 Grad aufweist“. Die Vorträge mit anschließender Diskussion fanden danach auf dem von der Naturschutzgruppe mit Bänken und Wasser ausgestatteten Grillplatz statt – als praktische Maßnahme der Hitzeprävention.
Jäger legte den Fokus auf den Klimaschutz und machte in seinem Vortrag deutlich, dass Bäume und Sträucher weit mehr leisten, als ein schattiges Plätzchen zu bieten: „Sie regulieren das Mikroklima, dienen als Windbrecher, Kohlenstoff- und Wasserspeicher. Sie sind unabdingbar bei Dürre und Starkregen. Meine Forderung lautet daher: Wir brauchen viel mehr Bäume und Sträucher, besonders die alten Bäume müssen erhalten bleiben. Sie sind durch keine Neupflanzung zu ersetzen und leisten einen enormen Beitrag zu Klimaschutz und -resilienz. Und neben den vielen (neuen) Bäumen brauchen wir viele kompetente Baumpfleger, die die Bäume schonend pflegen, um sie so lange wie möglich zu erhalten. Sie sind wunderbare Geschöpfe, die große Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben“.
Hofer erläuterte schwerpunktmäßig die von ihr recherchierten sozialen Strukturen, die es aufzubauen gilt, um besonders betroffene Personengruppen vor Hitze zu schützen: Ältere, Kranke und Kinder. Thieme-Jäger ergänzte die Ausführungen mit konkreten Beispielen, zum Beispiel die Beratung der Bürger zur Anlage ihrer Gärten, Aufruf zu Hitzeschutzpaten oder Entwicklung eines Hitzeschutz-Netzwerks für Bodenheim. Thieme Jäger ergänzte, dass alle gesammelten Ideen und Vorschläge dokumentiert und dem Ortsgemeinderat präsentiert werden.
Aufmerksam verfolgten die Anwesenden dann den spannenden Vortrag von Andreas Frings, der an zwei Beispielen deutlich machte, dass das Leugnen des Klimawandels tödliche Folgen haben kann. Frings erzählte: „Was extreme Hitzewellen, die auch bei uns immer wahrscheinlicher werden, bedeuten können, sieht man am Bespiel der Großstadt Chicago. Dort reichten fünf extrem heiße Tage im Sommer 1995, um mehr als 700 Todesfälle zu verursachen. Und im kanadischen Bergdorf Lytton führte eine solche Hitzewelle im Sommer 2021 zu einem Waldbrand, der das Dorf fast völlig zerstörte. In beiden Fällen wurden die Gefahren im Vorfeld ignoriert, es gab keinerlei Prävention.“ Und weiter: „Die letzten 23 Jahre gehören zu den 30 heißesten Jahres Deutschlands. Wir erleben jetzt schon einen mittleren Temperaturanstieg von zwei Grad Celsius, also höher als der globale Stand. Und das bedeutet auch krassere Ausschläge von Temperatur und Niederschlag. Wir sollten anfangen, uns ernsthaft darauf vorzubereiten, damit es gar nicht so weit kommt wie in Chicago und Lytton“.
Abschließend appellierte der Historiker eindringlich: „Wir müssen unsere Emissionen ernsthaft auf Null bringen, denn sie sind die Hauptursache für diese Entwicklung“. In der anschließenden Diskussion wurde die große Zustimmung der Teilnehmenden zum gerade Gehörten hörbar. Einige machten deutlich, dass sie sich ein hohes Engagement des neuen Bodenheimer Gemeinderats für dieses unter Umständen lebensbedrohende Thema wünschen: Die Prävention vor den Folgen von Hitze, aber auch für den Klima- und Artenschutz in der Gemeinde.