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Von Westerwälder Kindheitserinnerungen und marokkanischen Abenteuern Dietmar Gaumann und Miriam Spies lasen in Ebersheim

Dietmar Gaumann und Miriam Spies bei „Rheinhessen liest“ in Ebersheim Foto: kga

EBERSHEIM – Auf der Bühne steht ein Sofa von anno dazumal, dick gepolstert, in altrosafarbenem Samt, daneben eine Leselampe und ein kleiner Beistelltisch auf Rädern, darauf ein Glas Rotwein. „Schockverliebt“ sei er in den Saal gewesen, als er ihn zum ersten Mal betreten habe. Umso erfreulicher sei es, dass er nun erstmals auch auf eben jenem Sofa Platz nehmen dürfe, um in der Reihe „Rheinhessen liest“ seinen Zuhörern im Ebersheimer Weingut Becker Geschichten aus seinem Buch „Heilige Kühe“ zum Besten zu geben. Dietmar Gaumann, im Hauptberuf als Journalist und als Chef des Mainzer Literaturbüros tätig, nennt das Schreiben „ein Hobby“. Doch was der gebürtige Westerwälder vorträgt, sind nicht nur ausgeschmückte eigene Kindheitserinnerungen und Charakterbeschreibungen von Heimatdorf und Nachbarschaft, auch das Publikum scheint sich in der Nostalgie der Kindertage zu verlieren.

Miriam Spies las aus ihrem Roman über Nordmarokko. Foto: kga

In der Ankündigung zum Abend wurde nicht zu viel versprochen: Gaumanns Geschichten handeln vom „wilden Landleben“, sind realistisch erzählt und voller lakonischem Humor und leiser Melancholie.  „Wie ich fast einmal Sozialdemokrat wurde“ und „Die russische Weihnacht“ – schon die Titel machen neugierig. Dann lässt Gaumann Bilder entstehen von Frauen in Kittelschürzen, vom Rottweiler Bebel und von flatternden Bettlaken an der Leine, aber auch vom tollpatschigen Tankstellenräuber, der am Ende mit Marzipankartoffeln in neblig-dunkler, heiliger Nacht vom Tatort davonradelt.  Die Zuhörer sitzen mit ihrem Wein in der Hand zurückgelehnt im abgedunkelten Saal, als Snack gibt es Spundekäs und Brezel. Hausherrin Alexandra Becker bedankt sich bei der Begrüßung. „Rheinhessen liest“ sei mittlerweile ein fester Bestandteil im Veranstaltungskalender des Weinguts, und Gaumann nennt den Termin „eine schöne Gelegenheit, sein Buch vorzustellen“.

Dietmar Gaumann erzählte vom „wilden Landleben“, Foto: kga

Er hat noch eine Leserin mitgebracht, es ist die Mainzer Journalistin Miriam Spies, die sich nach der Pause in die gemütlich anmutenden Polster des rosafarbenen Sofas schmiegt, die Beine übereinanderschlägt und dann noch einen Schluck aus ihrem Weinglas nimmt, ehe sie ihre Blätter unter das Licht hält und mit ruhiger, bedächtiger Stimme zu lesen beginnt.  Ein Kapitel aus ihrem Roman über Nordmarokko, wohin es die Autorin verschlagen hatte, als ihr hier in Deutschland in einem Winter regelrecht die Decke auf den Kopf gefallen war. Hierin steigt nicht nur die Protagonistin in ein Bild einer bunten Straßenszene ein, nein, Spies gelingt es, das Publikum derart in den Bann zu ziehen, dass man sich förmlich mit in dieses Bild gezogen fühlt, die Straßenverkäufer und die Häuser vor seinem geistigen Auge sieht. „Das Universum löst sich auf, es gibt nichts mehr als dieses eine Gemälde“, liest Spies. Wohin führt die Geschichte? Letztlich bis weit zurück in der Geschichte, bis zur Gründung des Islams, zum Propheten und zur Tochter Fatima und deren schützenden Hände.

kga