NIEDER-OLM – Die Corona-Pandemie hat die ganze Gesellschaft und damit auch die Kirchen kalt erwischt: Keine Gottesdienste, keine Hochzeiten, keine Taufen,Beerdigungen nur unter Auflagen. Praktisch von einem Tag auf den anderen mussten die Menschen sich von ihren gewohnten Verhaltensmustern verabschieden. Im Gespräch mit Dekan Pfarrer Hubert Hilsbos von der katholischen Kirchengemeinde St.Franziskus von Assisi Nieder-Olm, hat die Lokale Zeitung erfahren, wie er die vergangenen Wochen unter dem Einfluss des Coronavirus erlebt hat und was man daraus vielleicht auch für die Zukunft mitnehmen kann.
Frage: Gottesdienste, Seelsorge und viele Gemeindeangebote sind mit großer physischer Nähe verbunden. All das fällt gerade aus. Wie sieht Ihre alltägliche Arbeit als Pfarrer aus?
Seelsorge lebt von unmittelbaren Kontakten, Gesprächen und Treffen, …, was jetzt nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden kann. Natürlich regele ich vieles jetzt vom „Homeoffice“ aus und telefoniere so viel, wie ich noch nie telefoniert habe; -das beinhaltet auch intensive Gespräche, die ich sonst im direkten Kontakt geführt hätte. Die größte Veränderung in einem Tagesablauf ist die, dass ich zurzeit viel weniger Abendtermine habe–und mein Hund sich wundert, dass die Spaziergänge länger ausfallen.
Frage: Wie viel Halt kann gerade der Glaube in diesen Krisenzeiten geben?
Das „wie viel“ kann ich gar nicht definieren und bei jedem wird dies anders erfahren. Mit geht es so, dass–auch wenn öffentliche Gottesdienste, Feiern,…-jetzt nicht möglich sind, dass der Glaube wirklich trägt und ein wichtiger Ankerpunkt ist. Wenn ich ältere Menschen treffe, mit ihnen telefoniere und frage, wie es ihnen gerade geht, dann bedauern sie auch, dass vieles jetzt nicht möglich ist, nennen oft, welche Krisen- und Kriegszeiten sie durch gestanden haben und sagen resümierend „Wenn ich meinen Glauben nicht hätte– ohne ihn geht’s nicht!“
Frage: Welche neuen Wege kann Kirche überhaupt gehen, um vielleicht möglichst kontaktlos ein geistliches Angebot aufrecht zu erhalten?
Da lernen wir fast täglich hinzu, besprechen die Ideen und probieren neue Formate aus; da macht sich eine neue Kreativität und Innovationskraft bemerkbar. Zum Beispiel: Treffen zum abendlichen Austausch und Gebet in einer‚ Whatsapp-Gruppe; Kinder und Eltern der Kitas haben per Mail auch Materialien zur Osterzeit erhalten, auch an die Erstkommunionkinder, deren besonderes Fest erst zu einem späteren Zeitpunkt wird stattfinden kann, ging ein Ostergruß, die Firmjugendlichen werden regelmäßig kontaktiert. Es gibt die Einladung für alle zum Innehalten oder zum Hausgebet, wenn die Kirchenglocken läuten, Impulse werden zweimal in der Woche, in der Kirche ausgelegt und im Internet veröffentlicht, … und demnächst wird es eine „Schnitzeljagd“ für Jugendliche und junge Erwachsene in einer virtuellen Gemeinde geben.
Frage: Und ganz wichtig: wie bringen sie das an die Menschen, die vielleicht noch nicht so sehr mit der digitalen Welt vertraut sind?
An Ostern haben wir einen Ostergruß mit Impulsen gedruckt, den wir gezielt an ältere und erkrankte Menschen ausgeteilt haben. Für mich bewegend war die kleine Andacht, die ich–auf Anregung der Heimleitung–in der Nieder- Olmer Seniorenresidenz an Karfreitag feiern durfte: In einem Schutzanzug eingepackt, formulierte ich ein paar Gedanken zur Karwoche, betete und bat um Gottes Segen–gerade mit und für die Menschen, die das Seniorenheim nicht verlassen dürfen und keine Besuche von Angehörigen und Freunden erhalten. Meine evangelische Kollegin hat dies dann am Ostersonntag wiederholt und unsere Kirchengemeinden setzen das nun wöchentlich fort.
Frage: Welche persönlichen Hilfen im Alltag kann Kirche bieten?
Ich nenne hier zwei mir wichtige Dinge: Einmal sind wir Kirchengemeinden – katholisch wie evangelisch– da und ansprechbar: Die Telefon-Nummer der Pfarrbüros können 24-Stunden angerufen werden – als‚ Hotline‘ und Sorgentelefon. Und: Der Brotkorb unserer Pfarrgemeinde hat es durch verschiedene Aktionen geschafft, dass Menschen, insbesondere Familien, in prekären Lebenssituationen weiterhin Unterstützung durch Lebensmittel und Geldspenden erhalten. Wenn das vorgelegte Sicherheitskonzept positiv beschieden wird, dann wird der Brotkorb wieder am 13. Mai öffnen.
Frage: Sehen Sie auch eine Chance für Neues durch die Krise?
Ich hoffe es sehr, dass wir uns verändern – in unseren Einsichten und Haltungen und dann auch im konkreten Tun. Auch wenn das etwas „fromm“ und „altklug“ klingen mag, hoffe ich, dass wir bei dem bleiben werden, was wirklich wichtig und wesentlich ist: Wirklich zu leben–in die Tiefe und Weite unseres Mensch seins. Dankbarkeit und Freude zu spüren für belastbare Beziehungen und Freundschaften, für Menschen, die – auch beruflich – für andere da sind. Und ganz konkret: Was kann zukünftig wirklich getrost wegfallen, weil es wichtig erschien aber nicht wichtig ist. Das braucht auch eine größere Portion Mut, damit wir nicht in den alten Trott zurückfallen.
Frage: Wie haben Sie persönlich das Osterfester lebt?
Die Gemeinde und die gemeinschaftlichen Erfahrungen an Ostern haben mir sehr gefehlt. Von Palmsonntag angefangen bis hin zur Auferstehungsfeier mit einem ausführlichen Osterfrühstück mit vielen Menschen. Stattdessen habe ich im kleinsten Kreis Gottesdienste gefeiert.
Frage: Wie bereiten Sie sich auf die Möglichkeit vor, bald wieder „abgespeckte“ Gottesdienste halten zu können? Offiziell können öffentliche Gottesdienste jetzt wieder – unter Einhaltung der Hygiene vorgaben und Bestimmungen wieder gefeiert werden – Mindestabstand, begrenzte Anzahl von Gottesdienstbesucher/innen, Anmeldung zum Gottesdienst erforderlich, kein Gemeindegesang, Mundschutz, Desinfektionsregeln, kein Gespräch nach den Gottesdiensten… Wir werden im Pfarrgemeinderat ausführlicher darüber beraten, was sinnvoll ist. Ich persönlich neige dazu, abzuwarten, bis wir wirklich wieder Gottesdienste miteinander feiern können, menschlicher und natürlicher – ohne ein krampfhaftes und kompliziertes Schutzkonzept, das einen Gottesdienst zum „kalten Ritus“ reduziert.
Die Fragen stellte Annette Pospesch