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Ein Schoppen zu viel? Kultur >>> Ein subjektiver Rückblick auf die diesjährigen Weinfeste

VG BODENHEIM – Gemütlich über das Weinfest schlendern? Früher fast ein Ding der Unmöglichkeit, zumindest zu den Hochzeiten. Man wurde einfach vorwärts geschoben. Viele Weinfestbesucher in Bodenheim, Lörzweiler oder Nackenheim werden sich noch gut daran erinnern. Und es hat meist Spaß gemacht. Unvergessen die rappelvolle Festmeile am Reichsritterstift zur Eröffnung und kurz vor dem Feuerwerk. Und legendär die Auftritte der „Gentleman“ am Montagabend auf dem Alten Schulhof in Nackenheim. Insider waren bereits ein bis zwei Stunden vor Konzertbeginn vor Ort, um überhaupt noch auf den Schulhof zu gelangen. Samstag war Touri-Tag, dann kamen noch einmal mehr und der Sonntag, dem inoffiziellen „Ruhetag“ der Weinfeste, war das Fest meist für Familien und Hartgesottene reserviert. Aber es waren eben Viele.

Dann kam Corona und mit dem Virus die große Feier-Pause, eine Zeit der bleiernen Schwere. Doch schon mit den ersten Weinfesten nach der Pandemie spürte man wieder die Lebensfreude und das Verlangen der Menschen nach Geselligkeit. Zugegeben, man war noch etwas vorsichtiger und viele trauten größeren Menschenansammlungen noch nicht richtig – was übrigens auch viele andere Veranstalter, unter anderem die Fastnachtsvereine, deutlich zu spüren bekamen. Doch es lag wieder eine gewisse Aufbruchstimmung in der Luft. Etwa bei den Weinfest-Auftritten der „Candies“ auf der großen Wiese in Bodenheim oder dem Rathausplatz in Nackenheim – volles Open-Air-Konzert-Feeling pur. Auf dem Weg dahin und anschließend drängelte man sich dann gemeinsam durch die Festmeilen am Reichsritterstift, der Weinbergstraße, dem Carl-Zuckmayer-Platz oder dem Königsstuhl.

Und heute? Die „Candies“ sind immer noch da, das Rahmenprogramm ist keinesfalls schlechter geworden und unsere Winzer haben nicht verlernt, guten Wein zu produzieren und auszuschenken. Aber die Besucher fehlen – zumindest ein nicht unbedeutender Teil von ihnen.

Alles nur die subjektive Wahrnehmung einiger Weniger? Oder hat nicht doch ein Überangebot von Veranstaltungen auch in der näheren Umgebung zu den Eindrücken beigetragen – von den unzähligen Hoffesten bis zu den zahlreichen Feierabend-Schoppen-Events diverser Organisationen und Vereinen? Vielleicht doch ein Schoppen zu viel? Außerdem haben steigende Energie- und Beschaffungskosten zu höheren Preisen insbesondere an den Essensständen geführt, Stichwort: Bratwurst im Brötchen für 6,50 Euro. Aber viele Besucher der Weinfeste können (oder wollen) den Euro eben nur einmal ausgeben. Da wird dann auch eventuell nur einmal das Weinfest besucht und nicht wie früher mehrfach.

Wir haben dazu selbstverständlich auch die Veranstalter der Weinfeste, den Verkehrsverein Bodenheim, den Heimat- und Verkehrsverein Lörzweiler sowie den Heimat- und Kulturverein Nackenheim nach ihrer Sicht der Dinge gefragt. Und die Antwort kam prompt: Die Weinfeste waren trotz Pfingstferien (Bodenheim), großer Hitze (Lörzweiler) und Beginn der Sommerferien (Nackenheim) besser besucht als vor Corona, die Besucher mussten sich durch Menschenmassen kämpfen, Winzer und Gastronomen waren mehr als zufrieden, die Umsätze deutlich höher als früher, und einige Attraktionen, wie etwa das Kinderschminken in Bodenheim, so gut besucht, dass nicht einmal alle Kinder daran teilnehmen konnten.

Wie weit doch Wahrnehmungen voneinander abweichen können.

Von Michael Türk