
GONSENHEIM – Literatur in Gärten, oder auch „Urlaub in Gonsenheim“, wie der Verein Gonskultur die Lesungen, die in den Sommermonaten in schön angelegten Privatgärten regelmäßig stattfinden nennt, startete in diesem Jahr mit einer szenischen Lesung. Alka Saraogi, die indische Autorin des Romans, und ihre Übersetzerin Almuth Degener, die „Entwurzelt“, so der Titel des Werkes, aus dem Hindi ins Deutsche übersetzt hat, waren anwesend.
Gelesen wurde von Nela Kunigk, Sebastian Murken, Egon Halbleib und Almuth Degener.
Saraogi wurde 1960 in Kalkutta geboren, studierte an der Universität Kalkutta Hindi-Literatur und verfasst ihre Texte in ihrer Muttersprache Hindi, im Gegensatz zu den meisten indischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die auf Englisch schreiben. Saraogi vertritt die Meinung, dass mehr als 70 Jahre nach dem Ende der britischen Kolonialzeit englische Texte weiterhin koloniale Präsenz in der postkolonialen Gesellschaft Indiens repräsentieren.
Alka Saraogi gehörte zu den Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die 2006, als Indien Gastland der Frankfurter Buchmesse war, nach Deutschland eingeladen wurden. Für ihre Leistungen als Schriftstellerin erhielt sie 2023 den Fakir Mohan National Literary Award der Fakir Mohan University. Sie wurde mit weiteren zahlreichen Literaturpreisen auf nationaler und internationaler Ebene ausgezeichnet.
Auch wenn man bei einer Lesung im Garten mit vielen Bäumen bei dem Romantitel „Entwurzelt“ vielleicht eher an Bäume denkt, so bezieht das sich auf den Protagonisten Kulbhushan, dessen Leben durch äußere Umstände zu entwurzeln drohte. Es verdeutlicht die Geschichte Indiens ab dem Ende der britischen Kolonialzeit.
Kulbhushan war nett zu allen und half besonders den Armen. Dafür wurde er häufig ausgelacht und sogar seine eigene Familie zeigte wenig Verständnis für sein Handeln. Auch Streitigkeiten zwischen den beiden Hauptreligionen Islam und Hinduismus im Land ignorierte er. Sein bester Freund Shyama war Muslime, aber die beiden zeigten, dass auch ein unkompliziertes Miteinander beider Religionen machbar sein kann. Doch als Shyama Kulbhushan des Diebstahls verdächtigt, kam ein Riss in die Freundschaft. Seine Flucht von Ost- nach Westbengalen war ein weiterer Schicksalsschlag, nachdem er nie mehr Fuß gefasst hatte, denn er verlor einen Job nach dem anderen.
Der schreckliche Krieg in seinem Land, der nach den Wahlen im Dezember 1970 in Ost- und Westpakistan tobte und nach vielen Millionen Toten letztendlich Bangladesh entstehen ließ, trug ebenfalls massiv zur Entwurzelung Kulbhushans bei. Ein spannender Roman mit tiefem Einblick in die Geschichte Indiens.
Elke Fauck