NACKENHEIM – Pünktlich um 15.11 Uhr marschierten die Entenbrüder und –schwestern, angeführt von der Bodenheimer Schoppengarde, vor das Nackenheimer Rathaus und der 2. Vorsitzende der Entenbrüder, Gerd Zimmermann, forderte die Ortsbürgermeisterin Margit Grub zur Übergabe des Rathausschlüssels auf. Wie gewohnt gab Grub nach einigem Hin und Her auf und händigte den Narren den Schlüssel aus.
Üblicherweise ergreifen nach der Schlüsselübergabe die Jugendlichen der Katholischen Jugend Nackenheim (KJN) das Wort und tragen ihren Teil zur Erstürmung bei. In den vergangenen Jahren geschah das durch die närrische Verleihung von „Sakramenten“. Nachdem aber 2018 einige Proteste von Mitbürgern, die sich in ihrer Vorstellung von Respekt gegenüber der katholischen Kirche gestört fühlten, laut geworden waren, warteten sicher viele der Besucher gespannt darauf, wie es in diesem Jahr verlaufen würde. Es lag nah, dass diese äußerst konservativ eingestellten Kritiker nun erwarteten, dass in diesem Jahr die Katholische Jugend Nackenheim (KJN) auf die Fortführung ihrer Fassenachts-Sakraments-Vergabe verzichten würde, um nicht erneut Ziel der Kritik zu werden.
So weit so gut, aber was passierte dann wirklich? Auf den Punkt gebracht, ist festzustellen: „… und sie taten es doch!“
Sicherlich hatten die Proteste Eindruck hinterlassen. Aber dennoch, oder vielleicht sogar gerade deshalb, schlugen die KJNler den Rat des Obermessdieners, auf die Sakramente zu verzichten, selbstbewusst und von ihrem Tun überzeugt, in den Wind. Während einer Klausurtagung bei Schmalzbroten und Hefeweizen beschloss man, die Tradition fortzusetzen und diesmal die Ortsbürgermeisterin zur Narrenpriesterin zu weihen.
Dazu hatten die Jugendlichen eine äußerst witzige Zeremonie vorbereitet und sparten dabei nicht mit Seitenhieben auf diejenigen, die keinen Unterschied zwischen künstlerisch-närrischer Freiheit und festbetonierten Ideologien machen. Auch gab es einige Anspielungen auf die schlechte Behandlung des kürzlich aus dem Dienst geschiedenen Pfarrers Reinhold Ricker. Die Texte und die Ausführung waren dabei sehr ausgefeilt und hatten satirische Züge, die fast schon fernsehreif waren.
Zur Weihe musste Grub sich wie bei einer Priesterweihe auf den Boden legen (eine Isomatte wurde ihr ob der Kälte gewährt) und der Weihebeauftragte Jan Florenkowski zog die lachmuskelstrapazierende Zeremonie zusammen mit seinen Mitstreitern durch.
Die anwesenden Gäste quittierten die Vorstellung mit großem Beifall. Gut, dass die Jugend ihre eigenen Wege geht und sich in ihrem modernen Verständnis von Glauben und Respekt vor der Kirche nicht beirren lässt. Bleibt zu hoffen, dass diesmal die Blasphemievorwürfe verstummen, denn davon kann bei wohlwollender Betrachtung überhaupt keine Rede sein.
Zum Abschluss spielte die Schoppengarde noch einige Fastnachtsstücke und die Gäste erfreuten sich an Glühwein und Laugenbrezeln.
Wolfgang Bohrmann