INGELHEIM – Kurz vor Ostern war die schottische Archäologin Louisa Campbell auf Einladung des Museums bei der Kaiserpfalz zu Besuch in Ingelheim. Der Anlass: ein spezieller Auftrag des Museums. Der Auftragsinhalt: die Untersuchung von antiken Farbspuren an den drei römischen Grabfiguren, die wesentlicher Bestandteil der vom Museum entwickelten Mobile-App „Ingelheim zur Römerzeit“ sein sollten.
Campbell gilt in der Fachwelt als renommierte Expertin für die Untersuchung von Farbpigmenten auf prähistorischen, römischen und mittelalterlichen Skulpturen. Die Resultate der Analysen sollten auch in die Gestaltung der Römer-App einfließen. Im Gepäck hatte die Wissenschaftlerin von der Universität Glasgow neuartige Methoden, die sie zum Teil selbst entwickelt hat.
Bei den römischen Grabfiguren im Ingelheimer Museum handelt es sich um herausragende Funde. Lebensgroße, nahezu vollplastisch ausgearbeitete Statuen kommen in den Provinzen am Rhein äußerst selten ans Tageslicht. Die Ingelheimer Statuen haben etwas einzigartiges. An zahlreichen Stellen sind noch mit bloßem Auge Reste der einstigen Bemalung zu erkennen.
Diese Besonderheit war für Campbell Anlass genug, die Statuen vor Ort vier Tage lang eingehend zu analysieren. Es war nicht die erste Analyse der fast 2000 Jahre alten Farbspuren: Im August 2022 hatte Ernst Pernicka vom Mannheimer Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie (CEZA) Mikroproben entnommen und im Labor mittels Rasterelektronenmikroskopie und Röntgendiffraktometrie deren chemische Zusammensetzung ermittelt.
Dabei stellte sich heraus, dass für die noch deutlich sichtbare rote Farbe Rötel (Roter Ocker) aus dem Mineral Hämatit verwendet wurde, ein in der Antike übliches Pigment für Rot- und Gelbtöne. Überraschender war der Ursprung der schwarzen Farbspuren. Diese Pigmente wurden offenbar mit Knochenasche hergestellt. Für römische Wandmalereien war eher Ruß oder Pflanzenasche gebräuchlich.
Die meisten der von Campbell eingesetzten Techniken waren non-invasiv, das heißt, sie kamen ohne weitere Zerstörung der spärlichen Farbreste aus. Zudem war die Ausrüstung klein und handlich, alle benötigten Instrumente wie zum Beispiel das Röntgenfluoreszenz-Gerät könnten problemlos zum jeweiligen Einsatzort transportiert werden. Das galt auch für die sogenannte Visible Induced Infrared Luminescence (VIL), mit der das Pigment „Ägyptisch Blau“ nachgewiesen werden konnte, einer der ältesten künstlichen Farbstoffe der Welt. In Ägypten wurde das Pigment schon seit dem 3. Jahrtausend vor Christus hergestellt.
Dessen Verwendung an den Ingelheimer Figuren hatte schon die Untersuchung durch Pernicka nahegelegt. Nun konnten Spuren des Pigments zweifelsfrei nachgewiesen werden.
Bis alle Ergebnisse vorliegen, wird es noch etwas dauern. Aber schon während der laufenden Untersuchungen wurde deutlich, dass die Statuen nicht einfach nur gleichmäßig flächig bemalt wurden. Die antiken Künstler, bei denen es sich wahrscheinlich um gut bezahlte Spezialisten handelte, simulierten durch den raffinierten Einsatz von hellen und dunklen Abstufungen unterschiedlicher Farbtöne Licht- und Schatteneffekte.
Sie gestalteten die Farbigkeit also wie bei einem Gemälde, um den Figuren einen naturalistischen, lebendigen Eindruck und eine spektakuläre Fernwirkung zu verleihen. Winzige Details, die der Steinmetz nicht herausarbeiten konnte, wurden offensichtlich aufgemalt. So entdeckte Campbell auf dem Ring einer der beiden Frauenstatuen rote Farbpigmente, die vermutlich einen roten Stein, eine Gemme, darstellen sollten.
Autor: red