Start Kultur „Ich bin Winzer mit einem winterfüllenden Hobby“ Interview mit Krimiautor Andreas Wagner

„Ich bin Winzer mit einem winterfüllenden Hobby“ Interview mit Krimiautor Andreas Wagner

Andreas Wagner ist Winzer, Historiker und Schriftsteller – eine Kombination, die - wie viele Leser finden - seinen Büchern Substanz verleiht. Foto: Christian Wagner

RHEINHESSEN/ESSENHEIM – Ende August stellt Andreas Wagner in Essenheim seinen neuen Krimi bei einer Premierenlesung vor. Es heißt „Winzergrab“. Journal LOKAL hat mit dem Autor über sein neues Buch, das Winzer- und Autorenleben, sowie über das Schreiben und die rheinhessische Literaturszene gesprochen.

Journal LOKAL: Hallo Herr Wagner, sind Sie ein schreibender Winzer oder ein Schriftsteller, der die Arbeit im Wingert versteht und verrichtet?

Andreas Wagner: Ich bin Winzer mit einem winterfüllenden Hobby. Während der Weinlese sammele ich meine Ideen und ab November geht es dann an die Geschichte. Das ist ein schöner Ausgleich zur Arbeit im Rest des Jahres, die zwischen Weinberg, Weinproben und Straußwirtschaft wechselt. Zwischen Mai und Oktober bleibt mir kaum Zeit, um mich mit neuen Buchprojekten zu beschäftigen. Also auch zeitlich, nimmt mich das Weingut mehr ein.

Journal LOKAL: Wein und Literatur finden in Rheinhessen gerne zueinander, was halten Sie von der Vorstellung, dass bestimmten literarischen Genres eigene Rebsorten zugeordnet werden könnten?

In „Winzergrab“, dem fünften Krimi von Andreas Wagner, bleibt eine vermeintlich harmlose Funzelfahrt durch die rheinhessischen Weinberge nicht ohne Folgen: Die Tochter des bekanntesten Winzers im Ort wird tot aufgefunden. Ex-Winzer und Hobbyermittler Kurt-Otto Hattemer nimmt die Ermittlungen auf – und stößt dabei auf Familienzwist, gierige Erben, alte Rechnungen und einen rätselhaften Weinjournalisten. Quelle: Emons Verlag

Andreas Wagner: Das klingt nach einer spannenden Idee. Wer wäre dann der Riesling und wer der Spätburgunder? Ich glaube, das müsste man bei einer Probe durch die rheinhessischen Rebsorten austesten. Mir wären nicht die Rebsorten zuerst in den Sinn gekommen. Ich hätte zu bestimmten rheinhessischen Autorinnen und Autoren bestimmte Lagen im Sinn. Zum Zuckmayer würde ich sicherlich einen Nackenheimer Riesling trinken wollen.

Journal LOKAL: Carl Zuckmayer, Anna Seghers oder Wilhelm Holzamer haben die Region für die (Welt-)literatur erschlossen und hoffähig gemacht. Welche Assoziationen weckt dieser Gedanke in Ihnen? Welches literarische Potenzial sehen Sie in Rheinhessen und was sagen Sie über die Autorenlandschaft?

Andreas Wagner: Rheinhessen hat großes literarisches Potenzial. Wir haben eine spannungsgeladene und wechselhafte Vergangenheit. Zusammen mit dem Rhein als Grenze und Lebensader bietet das mehr als genug Inspiration. Als abwechslungsreich nehme ich auch die Vielzahl der Autorinnen und Autoren wahr, die sich hier tummeln und deren Geschichten in Rheinhessen spielen.

Journal LOKAL: Wie schätzen Sie die aktuelle Vernetzung und Zusammenarbeit unter rheinhessischen Autorinnen und Autoren ein – was läuft gut, wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf?

Andreas Wagner: Jeder ist ja zunächst einmal mit seinen eigenen Themen und Geschichten unterwegs. Das ist ganz normal. Ich kann zum Beispiel Geschichten nicht mit Kolleginnen und Kollegen zusammen entwerfen. Dafür brauche ich meine Ruhe, um Themen zu finden und daraus Handlungen zu entwickeln. Schön ist es, mit anderen zusammen Lesungen zu veranstalten. Wir machen das als „Mörderische Rheinhessen“ in loser Folge. Andere, wie die Landschreiber, sind da im Zusammenwirken noch aktiver. Ich glaube das muss jeder für sich selbst so wahrnehmen, wie er es braucht.

Andreas Wagner engagiert sich auch sozial. Das Bild entstand bei einer Lesung zugunsten der Stiftung Tausendgut. Foto: Gregor Starosczyk-Gerlach

Journal LOKAL: Andreas Wagner ist zunächst einmal Krimi-Autor. Welches Feedback erreichte Sie nach dem Erscheinen Ihres Sachbuchs „Zwischen Reben und Rüben“, in dem Sie die Geschichte Ihrer Familie über mehrere Generationen schildern, bzw. nach „Galgenbusch“?

Andreas Wagner: Das Sachbuch „Reben und Rüben“ über 200 Jahre Wein- und Familiengeschichte war für mich zunächst ein Weg zurück zu meinen Wurzeln. Zum einen in familiärer Hinsicht und zum anderen im Hinblick auf meine Ausbildung. Es hat Spaß gemacht, mal wieder als Historiker aktiv zu sein und auch in Archive einzutauchen. Die Rückmeldungen meiner Leserinnen und Leser haben mich positiv überrascht. „So spannend kann Geschichte sein!“ Das habe ich oft zu hören bekommen. Und das freut einen Autor natürlich, wenn man seine Leserinnen und Leser damit in den Bann ziehen kann.

Journal LOKAL: Was verraten Sie über die Haupthandlung Ihres neuen Buchs, das Sie zur Premierenlesung mitbringen?

Andreas Wagner: Es geht ums Erben und ums Loslassen und um ganz menschliche Konflikte innerhalb der Familie. Das Ganze passiert zwischen Funzelfahrten und einem großen Volkslauf im Selztal. Es geht also recht zünftig und rustikal zu im „Winzergrab“!

Journal LOKAL: Wie werden Sie die Lesung und den Austausch mit dem Publikum gestalten?

 Andreas Wagner: Ich kombiniere meine Lesungen immer mit einer kleinen Weinprobe. Die greift Themen des Buches aber auch aktuelle Entwicklungen im Weinbau auf. Meine Zuhörerinnen und Zuhörer können also Weinkrimi mit allen Sinnen genießen und erleben.

Journal LOKAL: Welche Projekte liegen noch in Ihrer Schublade? Oder anders und zugespitzt formuliert: Wenn Sie nur noch ein einziges Buch im Leben schreiben dürften, wovon würde es handeln?

Andreas Wagner: Das ist eine bösartige Frage! Ich habe noch so viele Ideen, die ich gerne umsetzen möchte. Oft ist die Zeit der begrenzende Faktor, nicht die Ideen. Wenn ich nur noch ein Buch schreiben möchte, dann würde ich gerne nochmal ein spannendes Sachbuch schreiben: „Von Krisen und Euphorie – eine deutsche Weingeschichte der letzten 200 Jahre“.

Journal LOKAL: Vielen Dank für das Interview, Herr Wagner.

Die Fragen stellte Gregor Starosczyk-Gerlach