JUGENHEIM-Schnell mal in den Laden, um Zucker und Eier zu kaufen oder noch den Wein, den man für Vaters Geburtstag vergessen hat, zu holen. Was in der Stadt kein Problem darstellt, ist in vielen rheinhessischen Gemeinden nicht mehr möglich. Jugenheim hat diesen allseitigen Trend gestoppt.
In der Ortsmitte existiert seit Jahren wieder ein Lebensmittelgeschäft. Eines, das auf fast alle Einkaufswünsche seiner Kunden eingehen kann. Jedenfalls solche, die der Durschnitts-Jugenheimer im Alltag hat. „Wir haben das Sortiment an die Bedürfnisse der Kunden von Anfang an angepasst“, sagt die Marktleiterin, Margit Eckstein. Von Anfang an, das heißt, seit zehn Jahren. Damals endete für Jugenheim eine gefühlte Ewigkeit ohne Lebensmittelversorgung. Zugleich begann die Geschichte eines Marktes mit Vorbild-und Seltenheitscharakter und das über die Grenzen der Verbandsgemeinde Nieder-Olm hinaus.
Der Lebensmittelmarkt in Jugenheim ist ein Inklusionsbetrieb. Die Buchstaben CAP stehen für „Chance, Arbeit, Perspektive“, erläutert Edith Siesenop von der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (gpe). Die Gesellschaft ist ein Dienstleister für Menschen mit vorwiegend psychischen Erkrankungen und Behinderungen. Das Konzept der CAP-Märkte sei vor 20 Jahren im Stuttgarter Raum entwickelt worden, erklärt Siesenop. „Sie haben ein gemeinsames Ziel: allen die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.“ So gehören auch in Jugenheim sechs Menschen mit Beeinträchtigungen zum 13-köpfigen Marktteam. Eine pädagogische Kraft hilft ihnen und unterstützt sie bei Schwierigkeiten. Sven Pagojus ist einer von ihnen. Erarbeitet im Laden von Anfang an und fühlt sich wohl, wie er sagt. Er lächelt freundlich. „Ich habe im Laden schon in allen Bereichen gearbeitet, an der Theke, der Kasse, beim Einräumen der Ware. Ich habe auch schon die Einkäufe ausgeliefert.“ Der barrierefreie Markt in Jugenheim wird als ein Franchise-Unternehmen von der „gpe“ betrieben und bietet begleitetes Einkaufen sowie Lieferservice an. Die Paketannahme und -ausgabe für DHL sowie seit Kurzem die Möglichkeit, beim Bezahlen an der Kasse auch Geld abzuheben, ergänzen das Angebot .
„Die Kooperation hat sich bewährt“, betont Ortsbürgermeister Herbert Petri (SPD), anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnten Geburtstag des Ladens. Viele Kunden aus Jugenheim und Partenheim und darüber hinaus schätzen auch das Essen im Bistro am Mittag, sagt er, „oder den Kaffee für zwischendurch“.
Petri und Siesenop wissen gut, dass es letztendlich die Bereitschaft der Gemeinde war, das frühere und damals leerstehende Lager für den noblen Zweck kostenlos zur Verfügung zu stellen. Eine Hürde, die andere Gemeinde vielleicht scheuen. „Der CAP-Markt ist die beste Art der Inklusion, die wir uns vorstellen“, sagt Gracia Schade, die Behindertenbeauftragte der Verbandsgemeinde. „Es ist eine unkomplizierte Inklusion: beim Einkaufen. Sie wirkt weder gekünstelt, noch ist sie das.“ Mittlerweile verkaufen sich viele regionale Produkte sehr gut, beispielsweise die Weine der Jugenheimer Winzer. Nach einer Phase der Skepsis, sei die Möglichkeit auch von ihnen immer besser angenommen worden, berichtet die Marktleiterin. Sie weiß, dass der Markt vielen Menschen mehr bedeutet, als nur ein Ort zum Lebensmitteleinkauf.