MAINZ – Steht die Gesellschaft vor einer neuen Coronawelle? Oder ist diese bereits eingetreten? Der Schulunterricht auf der einen, das Urlaubsverhalten auf der anderen Seite gehören tragen mit zur Infektionsentwicklung bei. Dazu ein Interview mit Dr. Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamts.
Herr Dr. Hoffmann, wie hat sich das Infektionsgeschehen aus Sicht des Gesundheitsamtes seitdem Schulbeginn entwickelt?
DIETMAR HOFFMANN: Leider genauso, wie es zu erwarten war. Nach längerem Lockdown, dem anschließenden eingeschränkten Regelbetrieb und den Sommerferien begann jetzt wieder unmittelbar der Regelbetrieb. Es gibt zwar neue Hygienekonzepte, welche für die Schulen verbindlich sind und es besteht für die älteren Schülerinnen und Schüler zumindest eine Maskenpflicht in den Fluren und auf dem Schulhof. Aber wenn sich in einem Klassenzimmer 20 bis 30 Kinder und Lehrkräfte aufhalten, dann liegt doch eine relevante Ansteckungsgefahr vor, falls ein Schüler oder eine Schülerin davon positiv ist. Bereits am Mittwoch nach Schulbeginn mussten circa 200 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aus mehreren Schulen im Landkreis in die häusliche Quarantäne schicken, da Kontakt zu positiven Fällen bzw. sehr dringenden Verdachtsfällen bestand.
Wenn jetzt ein Schüler oder eine Schülerin mit positivem Status die Schule besucht hat, müssen sich dann alle Kontaktpersonen in Quarantäne begeben?
DIETMAR HOFFMANN: Wir versuchen soweit wie möglich jeden Einzelfall einzugrenzen und nehmen eine Risikobewertung vor. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, z. B. die Symptomatik des Infizierten, die Dauer des Schulbesuchs, die Enge und Dauer des Kontaktes zu Mitschülerinnen und Mitschülern, die Frist zwischen dem letzten Schulbesuch und der Testung und vieles mehr. Nach diesen Parametern klassifizieren wir die Kontaktpersonen nach erstem und zweitem Grad. Derzeit würden wir alle Schülerinnen und Schüler, welche einen Schultag im Klassenzimmer gemeinsam verbracht haben, ohne dabei eine Maske getragen zu haben, als Kontaktperson 1 klassifizieren – dies bedeutet eine 14-tägige Quarantäne. Wenn die Klassen einer Stufe nicht durch gemeinsamen Unterricht durchmischt werden, können wir es dann auch bei dieser Klasse belassen.
Patienten mit leichter Symptomatik können im Einzelfall schon 10 Tage nach Krankheitsbeginn aus der Quarantäne entlassen werden. Warum müssen Kontaktpersonen 14 Tage in Quarantäne bleiben?
DIETMAR HOFFMANN: Voraussetzung für zehn Tage allerdings eine absolute Symptomfreiheit in den letzten beiden Tagen. Der wissenschaftliche Hintergrund hierzu ist, dass in der Regel um den 7. Tag kein vermehrungsfähiges Virusmaterial mehr nachweisbar ist. Das führt zu der schwierig zu kommunizierenden Situation, dass möglicherweise ein weiterer Abstrich – welcher auf eigene Veranlassung z. B. am 15. Tag genommen wurde – weiterhin positiv ist, aber keine neue Quarantäne verhängt wird. Bei engen Kontaktpersonen ist die Situation eine andere: Hier geht man von der längst möglichen Inkubationszeit aus. Das heißt, erst wenn man nach 14 Tagen keine Symptome zeigt, ist man bei engen Kontaktpersonen auf der sicheren Seite.
Sie empfehlen engen Kontaktpersonen einen Test am 6. Tag. Verkürzt sich hierdurch die Quarantäne?
DIETMAR HOFFMANN: Leider nein, die 14-tägige Quarantäne bleibt davon unberührt. In der Regel dauert die Inkubationszeit aber nicht zwölf bis 14 Tage, sondern das Virus lässt sich zumeist bereits am 5. oder 6. Tag nachweisen. Bei dieser Nachtestung von engen Kontaktpersonen geht es daher in erster Linie darum, ob wir deren Umfeld ebenfalls untersuchen müssen, falls sie als Kontaktperson zwischenzeitlich selbst positiv geworden sind.
Wie sieht es mit den Reiserückkehrern aus?
DIETMAR HOFFMANN: Das ist tatsächlich bei uns ein großes Thema. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst in Mainz eine eigene Teststrecke aufgebaut und rund 1.000 Untersuchungen durchgeführt. Dies in erster Linie, um die Hausarztpraxen von diesem Ansturm zu entlasten. Schwerpunkt, zumindest für unsere Patienten, sind derzeit die Balkanländer und einige Osteuropäische Staaten, aber auch aus Malta, Spanien oder den Niederlanden wird diese Infektion mitgebracht.