
STADECKEN-ELSHEIM – Sönke Krützfeld (SPD) ist neuer Ortsbürgermeister von Stadecken-Elsheim. Er folgt damit auf Thomas Barth (CDU), der zum Landrat aufrückt (Journal LOKAL berichtete hier).
Krützfeld, geboren in Hilgert im Westerwald, studierte Evangelische Theologie auf Pfarramt und absolvierte ein Aufbaustudium in Medienwissenschaften. Von 1990 bis 1999 war er als Pfarrer sowie Schulpfarrer und Schulseelsorger in Mainz tätig, ehe er ins Bildungsreferat der Landeskirche wechselte. Dort arbeitete er zunächst als Referent, ab 2010 als Referatsleiter für Schule und Religionsunterricht. Seit 1994 lebt er in Stadecken- Elsheim.
Politisch engagiert sich Krützfeld seit 2014 im Gemeinderat, zunächst parteilos, seit 2016 als Mitglied der SPD. Von 2019 bis 2024 war er 1. Beigeordneter, aktuell ist er Vorsitzender der SPD-Fraktion. Er ist seit 1987 mit Corinna Klinger-Krützfeld verheiratet, das Paar hat acht Kinder und zwei Enkel. Seine Freizeit verbringt er am liebsten mit der Familie und Freunden, beim Radfahren oder auf Reisen innerhalb Deutschlands und nach Spanien.
Journal LOKAL: Herr Krützfeld, nach langer CDU-Ära steht nun ein SPD-Mann an der Spitze von Stadecken-Elsheim. Was bedeutet dieser Wechsel für Sie persönlich – und was für den Ort?
Sönke Krützfeld: Seit 21 Jahren hatte Stadecken-Elsheim einen Ortsbürgermeister, der der CDU angehörte. Das hat sich jetzt geändert. Es ist müßig, „tiefenbohrend“ über den Grund dieses Wechsels zu spekulieren. Das wird ein ganzes Bündel etwa aus Argumenten in der Kampagne, aus persönlichen Einschätzungen, politischer Orientierung und nicht zuletzt der Einschätzung dessen, was ich von einer Ortsbürgermeisterin/einem Ortsbürgermeister erwarte, gewesen sein.
Für mich persönlich bedeutet dieser Wechsel, dass ich mich mit dem Tage meines Eintritts in den Ruhestand am 1. Oktober mit einhundert Prozent meiner Arbeitskraft für den Ort und meine Mitbürgerinnen und Mitbürger einsetzen darf. Ich würde mit meinem Engagement gerne den Menschen etwas von dem zurückgeben, was ich als „Neubürger“ geschenkt bekommen habe: Freundlichkeit, Dorfgemeinschaft, Hilfe und Unterstützung.
Journal LOKAL: Sie haben mal gesagt, Politik im Ort solle in Zukunft nicht mehr vom Gegeneinander, sondern vom Miteinander geprägt sein. Was kritisieren Sie am bisherigen Umgang? Wie wollen Sie dieses bessere Klima konkret fördern, wenn es im Alltag oft harte Interessengegensätze gibt?
Sönke Krützfeld: Ich habe präzise gesagt, dass ich mich für „mehr Miteinander und gegen Fraktionierungen“ einsetzen werde. Denn ein Miteinander gibt es, aber es ist meiner Meinung nach weiter zu optimieren. Ich halte es dabei selbstverständlich für angemessen, dass jede demokratische politische Gruppierung ihre Identität pflegt und sichtbar macht. Im Gemeinderat – ich nehme das Bild auf – dürfen, ja, müssen wir auch Tauziehen im Sinne der Durchsetzung der Kraft des besseren Arguments betreiben.
Doch mit Verlaub: Spätestens mit der Entscheidung sollte aus dem Tauziehen ein gemeinsames Ziehen an einem Strang werden. Begleitgeräusche, wie nickelige Bemerkungen und Kommentare, haben dann in meiner Sicht keinen Raum mehr – wir handeln als Gemeinderat. In meiner Überzeugung werden Personen nicht allein wegen ihrer Parteizugehörigkeit in solche kommunalen Ehrenämter gewählt. Hier spielt auch das persönliche Profil eine wesentliche Rolle. Dementsprechend ist dann für mich eine Praxis des offenen oder verdeckten Fraktionszwangs unangemessen.
Wir haben in der Vergangenheit immer die besten Erfahrungen damit gemacht, in Fragen und Herausforderungen sichtbar gemeinsam zu agieren: Als ein Beispiel wäre da etwa die „Kampagne für mehr Miteinander“ zu nennen. Sie wurde aus der Mitte des Gemeinderates angeregt und durch den Gemeinderat getragen.
Journal LOKAL: An welchen Politiker wollen Sie denken, wenn es im Amt zu schwierig wird? Empfinden Sie visionär wie Willy Brandt? Sind Sie Macher wie Gerhard Schröder, oder der nüchterne Stratege wie Olaf Scholz? Gab es zudem eine konkrete Erfahrung oder Begegnung, die Sie zur Kommunalpolitik gebracht hat?
Sönke Krützfeld: Ich bin seit meiner frühen Jugend ehrenamtlich aktiv: in Schule, an der Universität und in der kirchlichen Arbeit von und mit Kindern und Jugendlichen. Quasi mit dem ersten Elternabend in der Grundschule unmittelbar nach unserem Zuzug 1994 war ich Mitglied im Schulelternbeirat, 20 Jahre davon als Schulelternsprecher. Da hat mich dann die damalige Kandidatin der SPD 2014 um Unterstützung angefragt.
So bin ich auf die SPD-Liste für den Gemeinderat gekommen und wurde hineingewählt. Als politische Gestalt hat mich Willy Brandt beeindruckt bis heute. An Helmut Schmidt habe ich mich „friedenspolitisch abgearbeitet“, aber seine klare und erkennbare Art sehr schätzen gelernt. Regelrecht bewundert habe ich seinen Mut zu Entscheidungen und die Selbstverständlichkeit, mit der er auch die Verantwortung dafür getragen hat. Und dann ist da noch Erhard Eppler: Er war nie Kanzler, aber er hat mich viel zum Nachdenken gebracht.
Aber ich bitte um Verständnis: Als evangelischer Theologe hat meine Grundhaltung am meisten Dietrich Bonhoeffer mit seinem Topos vom „Für-andere-da-sein“ geprägt. Das ist zwar mehr als soziales Engagement, aber das gehört dazu und ich kann es gut mit den politischen Werten des SPD verbinden.
Journal LOKAL: Sie möchten eine Plattform für die Vereine schaffen. Woran hakt es bislang – und was genau soll diese Plattform leisten?
Sönke Krützfeld: Gesprächszusammenhänge mit den Vereinen gibt es bereits – meistens bilateral. Ich würde dies gerne zu einer Kommunikation und Verständigung zwischen den Vereinen und der Verwaltung ausbauen. Das sollte eine schlanke Struktur sein, ein oder zwei Treffen im Jahr, bei denen wir miteinander in den Austausch kommen – gerne analog und/oder digital.
Ich verspreche mir davon, dass wir mehr voneinander wissen und uns mit den jeweiligen Ideen und Möglichkeiten und mit vorhandenem Equipment gegenseitig unterstützen können. Außerdem erleichtern gemeinsame mittelfristige Planungen die Koordination des lebendigen Vereinslebens in unserem Ort. Es wird mehr sein als ein Symbolprojekt, wenn meine Annahme stimmt, dass es gemeinsame Interessen gibt.
Ich werde – wo immer es möglich ist – hingehen und hören und schauen, was da ist und mit den Akteurinnen und Akteuren darüber sprechen.
Journal LOKAL: Klimaneutralität bis 2045 – ein sehr großes Ziel für eine einzelne Ortsgemeinde. Wo liegen die konkreten Hebel, mit denen Sie tatsächlich Einfluss nehmen können?
Sönke Krützfeld: Die Umstellung ist bereits in vollem Gang. In der Selztalhalle oder in zahlreichen Straßenzügen wird auf LED umgestellt. Die Einsparungen sind enorm, wobei ich auch den ökologischen Effekt meine. Der größte „Baustein“ wird nach aktuellem Stand die Windkraft sein. Die Planungen sind fortgeschritten und die Umsetzung würde unseren Ort rechnerisch klimaneutral machen.
Wir hatten auf dem Weg bis zum Start des Projektes mehrere Gemeinderatssitzungen mit Informationen zur und Diskussionen über die Windkraft. Anschließend sind wir mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch gegangen. Das werden wir bei jedem größeren Schritt in der Umsetzung des Projektes wieder tun, etwa auch beim Thema „Bürger-Windkraftrad“. Einen echten Widerstand nehme ich hier nicht wahr.
Klar, der Standort an einer prominenten Wanderroute und inmitten den rheinhessischen Hiwwel verursacht auch Wehmut: Der Ausblick wird sich erheblich verändern. Aber die Einsicht in die Notwendigkeit, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten, ist sehr groß.
Journal LOKAL: Welche Ideen haben Sie, um die Doppelgemeinde klimafreundlicher zu machen?
Sönke Krützfeld: Das Thema Radwege ist ein Dauerthema, das wachgehalten werden muss. Aber das geht nicht als Alleingang einer kleinen Kommune. Der Radweg nach Mainz ist ein Projekt, das genau das deutlich macht. Wir sollten uns konsequent in die überörtlichen Radwegeplanungen einbringen.
In der Tat fahren viele Menschen schon mit dem Fahrrad zur Arbeit oder in die Schule. Diese Bereitschaft sollte Rückenwind sein, auf kurzen Strecken eine Alternative zum Auto zu schaffen. Zum Thema Carsharing haben wir im Gemeinderat die ersten Beschlüsse gefasst und werden uns daran beteiligen.
Journal LOKAL: Ihr Vorgänger hat im Wahlkampf mit dem Beispiel der guten Finanzpolitik in Stadecken-Elsheim für das Landratsamt geworben, wie sehen Sie die Finanzsituation der Gemeinde?
Sönke Krützfeld: Es geht uns besser als zahlreichen anderen Kommunen. Aber ich sehe schon eine durchaus angespannte Haushaltslage. Denn wir haben ein Einnahmeproblem: Mittelfristig wird es – Stand heute – nicht zu verhindern sein, dass wegen steigender Belastungen in der Grundversorgung und bei den Umlagen kein Haushalts-Ausgleich mehr geschaffen werden kann.
Perspektivisch haben wir uns große Projekte vorgenommen, wie etwa die Erschließung eines Gewerbegebietes, und erhebliche Summen für den Ankauf der Grundstücke, eingesetzt, um das zu ermöglichen. Die Realisierung muss zügig betrieben werden. Dann haben wir wieder mehr Mittel für freiwillige Leistungen im Haushalt.
Journal LOKAL: Angesichts Ihrer vielen Pläne: Wie gefüllt ist die Ortskasse, und wie wollen Sie Ihre Vorhaben finanzieren?
Sönke Krützfeld: Dazu verweise ich auf die kurzen Ausführungen zum Haushalt. Und darauf, dass ich durchaus versuchen werde, Mittel für klar definierte Projekte einzuwerben. Was jetzt noch nicht bezahlbar ist, wird verschoben, aber nicht gleich aufgehoben.
Journal LOKAL: Wo würden Sie Schwerpunkte setzen, falls die finanziellen Spielräume enger werden?
Sönke Krützfeld: Schwerpunkte würde ich immer in der notwendigen Infrastruktur setzen, die die Grundversorgung der Gemeinde sichert. Das ist geboten. Daneben ist mir das Thema „Generationen“ wichtig.
Das beginnt bei den öffentlichen Spielplätzen für die Kleinen, setzt sich fort über offene Treffpunkte und Räume für Kinder und Jugendliche, Stichwort Jugendtreff, und endet nicht zuletzt bei der Unterstützung zur Förderung altersgerechten Wohnraums. Die kurze Liste kann ich aber durchaus fortsetzen…
Journal LOKAL: Wenn Sie Stadecken-Elsheim im Jahr 2040 beschreiben müssten: Was soll sich sichtbar verändert haben – woran würden die Bürgerinnen und Bürger merken, dass Ihre Amtszeit Spuren hinterlassen hat?
Sönke Krützfeld: Mein Wunsch ist es, unseren Ort so lebenswert zu erhalten, wie er ist – und dabei vielleicht einige sichtbare Spuren wie ein Haus der Generationen, mehr Plätze für Kinder und Jugendliche, einen „Seniorenkiez“ im Sinne einer Anlage für altersgerechtes Wohnen zu hinterlassen und die Klimaneutralität zu befördern.
Wesentlich ist, dass alle gesellschaftlichen Gruppen informiert sind und miteinander im Gespräch bleiben – gegebenenfalls bei der Suche nach Kompromissen. Das sicherzustellen, sehe ich als eine Aufgabe der Gemeindeverwaltung (inklusive Gemeinderat) an.
Journal LOKAL: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte: Gregor Starosczyk-Gerlach.
























