
BODENHEIM – Endlich war es wieder soweit: Der legendäre „Bleede Obend“ der Bodenheimer Schoppengarde verwandelte den Hermann-Weber-Saal des Bodenheimer Bürgerhauses in ein Meer aus Farben, Jubel und närrischer Fröhlichkeit. Volker Schäfer, 1. Vorsitzender des Vereins, machte als „Helau-Einheizer“ seinem Namen alle Ehre und schwor den vollbesetzten Saal auf das Motto des Abends ein.
„Ein vierfach-donnerndes Helau auf Lache, Schwätze, Schoppe,“ nahm er sein Publikum mit auf die närrische Reise einer typischen Mainzer Saalfastnacht voller Lebensfreude und bissigem Humor. Der Bleede Obend ist nicht nur ein Fastnachtsevent wie viele andere. Er ist eine Institution und fester Bestandteil des närrischen Kalenders in Bodenheim. Dafür sorgten wieder rund 80 Aktive des Vereins.
Auf, vor und hinter der Bühne sowie im Saal und hinter den Tresen gestalteten sie das abwechslungsreiche Programm mit Leidenschaft und Hingabe. Büttenreden, lustig, politisch, selbstkritisch, sowie Musik, Gesang und Tanzdarbietungen sorgten dafür, dass die Lachmuskeln und Stimmbänder der Besucherinnen und Besucher kräftig strapaziert wurden. Moderiert wurde die Veranstaltung von Janneck und Ralf Schäfer, am Keyboard brachte sich Michael Krupp engagiert ein.

Gleich der erste von sage und schreibe 16 Programmpunkten brachte „Stimmung in die Bude“. Der 1. Bergsträßer Spielmanns- und Fanfarenzug aus Bensheim zeigte ein beeindruckendes Repertoire von Trinkliedern, latein-amerikanischen Rhythmen und Fastnachts-Songs. Weitere musikalische Darbietungen zum Mitsingen und -schunkeln folgten vom Duo „Hottvollee“, bestehend aus den „Meenzer Bube“ – und Brüdern – Ulli Melies und Joschka Fiedermutz. Ihre Interpretation von Marius Müller-Westernhagens „Willenlos“ und des Songs „Hot Love“ von T-Rex riss das Publikum von den Stühlen.
Ein weiteres Mainzer Duo, Markus Leber und Jürgen Baumgart, stellte kurze Zeit später sogar eine zünftige Saal-Polonäse auf die Beine. Um den Zuschauern zwischendurch etwas Ruhe zu gönnen, wechselten sich die Mitmach-Aktionen mit Vorträgen und kreativen Ballettbeiträgen ab. So gewährten Doreen Sert als Oma und Tanja Schäfer-Brandel als freche Göre Marie-Michelle einen Einblick in den anstrengenden Alltag einer Leih-Oma, und die junge Zoey Baptistella outete sich als 05-er Fan ohne echte Sachkenntnis.
Ein Vortragshighlight setzte Beate Dietz mit ihrem lakonisch-drastischen Bericht über erfolglose Versuche, auf verschiedenen Wegen leichter zu werden. Letztendlich tröstete sie Mitfühlende mit den Worten, dass Charakter und Haltung mehr zählten als Äußerlichkeiten. Ihre Schilderung, wie ihr Mann einen ihrer BHs schließlich zum Kartoffelnholen benutzte, verursachte im Publikum ein leicht gruseliges Kopfkino…

Regionalpolitisch-bissig kamen die Ex-Bürgermeisterkandidaten Steffen Kunze und Alex Zimmermann zur Sache, die die Bodenheimer Bausünden und die daraus folgenden Umleitungen für den Fastnachtsumzug nur noch mit „Glühwein im Sommer“ ertragen können. Sie wechselten damit ihr Vorjahresmotto, mit dem sie eine „Schoppenpreisbremse hier und jetzt“ gefordert hatten. „Glühwein im Sommer“ hat jedenfalls das Zeug zum nächsten Sommerhit.
Wie man sehr einfach einen „Dubai-Schoppe“ herstellen kann, verrieten anschließend „Depp, Doof, Dappisch und Dumm“ (Richard Sommer, Holger Stephan, Ralf und Volker Schäfer) in ihrem musikalisch-gereimten Vortrag, nämlich „mit Woi, Wasser und Pistazien“. Zum Herzen ging ihre Interpretation von Nicoles Song „Ein bisschen Frieden“, mit dem sie auf die Kriege dieser Welt aufmerksam machten.
Nach einer ganz in Silber-Rot gehaltenen, wunderschönen Tanzdarbietung des BCV-Balletts unter dem Motto „Love is in the Air“ wurde es mit einer Eheberatung unter Leitung von Psychologin Conny Schäfer ernst. Kerstin Berner und Udo Maurus gaben ihr Bestes als Ehepaar Blöhmann, das ihr Liebesleben wieder ankurbeln wollte.
Der Sketch war fast besser als das Original von Loriot, die Laiendarsteller waren von den Profi-Schauspielern kaum zu unterscheiden. Tobender Applaus war dieser Sprechstunde sicher. Und dasselbe galt für die traditionelle Playbackshow der Gardisten, die unter der Moderation von Birgit Ott und Ralf Schäfer einmal mehr den Saal zum Mitsingen animierte. Auf der Bühne tummelten sich unter anderen Marylin Monroe, David Hasselhoff und Nina Hagen.
Als Publikumslieblinge entpuppten sich Richard Sommer mit Maffays Song „Und es was Sommer“ sowie Jasmin Miranda mit Michael Jacksons perfekten „Moonwalk“. Unglaublich, welche Talente unter den rund 200 Vereinsmitgliedern schlummern! Als Jeannine Baptistella und Michael Maskos zu „Time of my Life“ tanzten und sie in seine Arme flog, fand die Begeisterung keine Grenzen mehr.

Oft finden sich die absoluten Höhepunkte eines Abends am Ende einer Veranstaltung, und das war auch hier ein wenig so, jedenfalls, wenn es darum geht, sich selbst auf die Schippe zu nehmen und den Saal zum Kochen zu bringen. Nach den Auftritten des „Schrubberballetts“ und des „Männerballetts“ konnte man die Stimmung im Saal auch nicht mehr toppen.
Nach der konkreten Anweisung von Peter Fox: „Schüttel deinen Speck“ taten die Schrubber-Damen genau das: mit Hingabe und absoluter Körperbeherrschung alles schütteln, was sich schütteln ließ. Die Männer dagegen zeugten ihrem Idol Britney Spears mit dem Song „Baby one more time“ Respekt. Sie waren vom Original kaum zu unterscheiden, allerdings lösten sich nach dem voll motivierten Tanzeinsatz bei manchen die Luftballons aus der Halterung.
Unter der Leitung von Volker Schäfer kamen die Musiker der Schoppengarde zum Abschluss des Abends für das traditionelle Medley auf die Bühne. Stühle waren da im Saal schon lange überflüssig. Mit viel Liebe zum Detail, tollem Lokalkolorit und Bodenheimer Herzlichkeit war dieser Abend ein unvergessliches Erlebnis für alle Beteiligten, was sich immer wieder in „Zugabe-Rufen“ und Standing Ovations äußerte. Schön, dass man die Schoppengarde immer wieder auch außerhalb der närrischen Jahreszeit antreffen kann.