Start Rheinhessen/Mainz Über ein dunkles Kapitel der Ortsgeschichte GESCHICHTE Hexenmuseum im Rathaus in Planung

Über ein dunkles Kapitel der Ortsgeschichte GESCHICHTE Hexenmuseum im Rathaus in Planung

BODENHEIM – „Begreifen“ wünscht sich Andreas Kappel – „Darbieten“ wünscht sich Bernhard Marschall. Zwei Meinungen – zwei unterschiedliche Herangehensweisen.

Andreas Kappel ist der 3. Beigeordneter Bodenheim und für Tourismus zuständig – Bernhard Marschall, Historiker und Kulturbeauftragter der Ortsgemeinde Bodenheim, untersucht die Geschichte Bodenheims.

Begreifen bedeutet: Dinge anfassen zu können, wie Daumenschrauben und andere Folterwerkzeuge.

Darbieten heißt: Diese Geräte in einem Schaukasten zu präsentieren.

Beide Herangehensweisen haben Vorteile und Nachteile. Aber das soll heute nicht Thema dieses Beitrages sein. Das muss der Gemeindevorstand von Bodenheim für das Hexenmuseum entscheiden. Es gibt aktuell auch noch keinen Namen.

Es war eine grausame Zeit. Menschen – Männer wie Frauen – wurden als Hexen denunziert. Allein zwischen 1612 und 1615 – also in nur 3 Jahren – starben 32 Menschen, auf dem Scheiterhaufen, mehrere im Zuge ihrer Inhaftierung. Vier Personen konnten befreit werden und ein Angeklagter wurde aus der Haft entlassen.

400 Jahre später will die Gemeinde Bodenheim den vom Hexenwahn verfolgten Menschen Wiedergutmachung zukommen lassen. So wurde durch die SPD ein Antrag in den Gemeinderat eingebracht, der schnell auf breiter Front von allen anderen Parteien aufgenommen und schließlich mit einer Enthaltung somit fast einstimmig im Rat genehmigt wurde.

Zitat aus dem Antrag: „Die gesellschaftlich sowie politisch motivierten Gewalttaten verurteilt der Rat und sieht sie als dunkles Kapitel Bodenheimer Geschichte! Es besteht eine ethische Verpflichtung gegenüber den Opfern, ihrer Familien und ihrem Andenken. Begangenes Unrecht können wir nicht wieder gut machen, dennoch ist es unsere Aufgabe, dies aufzuarbeiten.“

Geplant ist, dass das „Bollesje“ – das Keller-Gefängnis im Bodenheimer Rathaus – als musealen Ort der Erinnerung und des Gedenkens gestaltet wird.

Thomas Becker-Theilig, Ortsbürgermeister: „Es ist mir eine Herzenssache, dass Bodenheim sich entschuldigt und zu seiner Vergangenheit steht. Mir ist es wichtig, dass nun nach der Renovierung unseres alten Rathauses das Hexenmuseum Realität wird!“

Bernhard Marschall hat die Planungen weit vorangetrieben. So hat er schon viele Dokumente, Fotos, Zeichnungen aber auch Protokolle von Ratssitzungen beschafft. „Natürlich muss man heute zeigen, wie 1612 Menschen „befragt“ wurden, um das Ergebnis zu hören, was man hören wollte. Diese Geräte müssen da rein. Auch ein Folterstuhl und ein „Hexenkleid“ (das letzte Hemd auf dem Weg zum Scheiterhaufen) gehören dazu! Um die Situation im Bollesje zu veranschaulichen, wäre Stroh auf dem Boden gut – vermutlich wird der Brandschutz das aber verwerfen.“

Stelen mit Fotos, Vitrinen usw. sollen den Grundstock des Museums bilden. Aber auch Namenslisten mit Merg Schollin und Elisabeth Metzler – 1. und letzte verbrannte Hexe – müssen ausgestellt werden. Der Ober-Fauth Manfred Schmidt, als herrschaftlicher Sachwalter zuständig für die Leibeigenen der Kurpfalz, war ebenfalls ein Angeklagter: Er wurde als Hexenkönig betitelt, ihm wurde eine „Buhlschaft“ mit dem Teufel nachgesagt. Auch dieser Name mit Infos zu den Anklagepunkten gehören ausgestellt.

Da das Museum ganztags nicht geöffnet sein kann, wäre ein „Guckloch“ in der Tür für den Interessierten als Einblick ins Bollesje eine Idee. Verbunden mit einem Lichtschalter, der die Innenbeleuchtung für z.B. 20 Sekunden startet, könnte so das Museum etwas erlebbarer gemacht werden, Appetit machen auf mehr!

Voraussetzung ist aber auch die Sanierung des Raumes. Schon im 16. Jahrhundert gab es Grundwasser dort – was auch heute in den Wänden ist.

Andreas Kappel sieht die Zukunft des Museums so: „Die Tourist-Info wird im Rahmen ihrer Führungen und Ortsrundgänge Gäste ins Museum führen. Auf der einen Seite sollen die Gäste das Leid und die Grausamkeit erkennen, auf der anderen Seite aber auch unsere Bemühungen der Rehabilitation nach 400 Jahren wahrnehmen.“

Journal Lokal wird weiter berichten.

Wolf-Ingo Heers