Start Kultur Wenn „der Zuck“ erzählt Literatur >>>Lesung zu 100 Jahre „Der fröhliche Weinberg“...

Wenn „der Zuck“ erzählt Literatur >>>Lesung zu 100 Jahre „Der fröhliche Weinberg“ in Laubenheim

Claudia Presser und Johannes Kohl überzeugten auf Rheinhessisch. Foto: Sabine Longerich

LAUBENHEIM – Ein voll besetzter Saal, gespannte Erwartung, viel Gelächter und so manche wehmütige Regung – und am Ende begeisterter Applaus. Die Lesung „Alles Carl – 100 Jahre Fröhlicher Weinberg“ im evangelischen Gemeindezentrum Laubenheim war ein Abend, der Carl Zuckmayer und seinem Werk alle Ehre machte. Eingeladen hatte der Verein zur Erhaltung der evangelischen Kirche in Laubenheim, die Spendeneinnahmen kommen vollständig diesem Zweck zugute.

Die Idee zu diesem besonderen literarisch-humorvollen Ereignis stammte  von Claudia Presser, Leiterin des Mainzer Fastnachtsmuseums und Mitglied des Trios „Die Mundartisten“. An ihrer Seite las Johannes Kohl, der langjährige Leiter des Katholischen Bildungswerks Mainz. Ein eingespieltes Team, das mit perfektem rheinhessischem Zungenschlag das Publikum eroberte. Die beiden verknüpften geschickt Zuckmayers autobiografisches Werk „Als wär’s ein Stück von mir“ mit Anekdoten, Gedichten und Szenen aus dem „Fröhlichen Weinberg“. Höhepunkte waren die Dialoge zwischen dem Winzer Gunderloch, seinem künftigen Schwiegersohn Knudzius und der Bediensteten Annemarie – zum Niederknien komisch und gleichzeitig liebevoll im Ton.

Doch es war nicht nur das Lustige, das den Abend prägte. Emotional nah ging die Schilderung von Zuckmayers Geburt, seiner Schulzeit und dem ersten Gang über die Mainzer Eisenbahnbrücke, wo man förmlich mit dem kleinen Jungen mitzitterte. Eindrucksvoll auch seine Begegnungen mit Joachim Ringelnatz und Bertolt Brecht – die präzise Sprache ließ das Publikum Zeuge werden, wie Freundschaften und Künstlerkreise wuchsen.

Die Protagonisten bedankten sich beim Publikum. In der Mitte: Techniker Michael Horber. Foto: Sabine Longerich

Von seinen Freunden wurde Carl Zuckmayer liebevoll „der Zuck“ genannt – ein Spitzname, der zu diesem lebensfrohen, schalkhaften und zugleich tiefsinnigen Erzähler bestens passte. Seine sprachliche Kunst zeigte sich in der Lesung in all ihren Facetten: bildhaft, oft derb und volksnah, voller Humor und dennoch von inniger Liebe zur rheinhessischen Heimat geprägt – ob zu Mainz, dem Dom oder seinem Geburtsort Nackenheim. Er verlor bei allen politischen Schrecken auch nie seinen Humor und seine Fantasie: Er nannte seine Tochter Winnetou, war in Berlin sogar kurz Drogendealer und wirkte am Drehbuch des „Blauen Engel“ mit. 1938 floh er mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten in die USA, nachdem seine Werke 1933 verboten worden waren.

Besondere Glanzlichter des Abends waren die Gedichte „Cognac im Frühling“ und als finale Pointe „Ratschlag für gutes Trinken“. Zum Schreien komisch wiederum Zuckmayers Beschreibung des geerbten Hundes Mucki – ein Fabelwesen zwischen Fledermaus, Schakal und Erdferkel –, der statt des erhofften Vermögens mit nach Amerika musste. Sentimentale Töne schlugen die eindringliche Beschreibung des Mainzer Doms an sowie seine klare Definition der Freundschaft in all ihren Nuancen.

Mehr als zwei Stunden lang hielten Presser und Kohl ihr Publikum in Bann. Der Abend war eine lebendige Feier von „Zucks“ Leben und Werk, getragen von einer perfekten Balance aus Humor, Ernst und rheinhessischer Lebensart. Friedhelm Kärcher und sein ehrenamtliches Team vom Erhaltungsverein versorgten die Gäste als perfekte Gastgeber mit regionalen Weinen und kleinen Speisen.

Wer die Lesung verpasst hat, erhält am 7. Oktober im Mainzer Fastnachtsmuseum eine zweite Gelegenheit – ein Termin, den man sich unbedingt vormerken sollte.

 

Sabine Longerich