LAUBENHEIM – Normalerweise ist sie samstags ja geschlossen. Aber das war für die Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) Laubenheim kein gewöhnlicher Samstag. Denn einmal im Jahr veranstaltet die Bücherei im Pfarrzentrum unter dem Motto „Buch und Kunst“ ihre große vorweihnachtliche Ausstellung.
Der Titel hält, was er verspricht, die aufgebauten Stände präsentieren haufenweise Bücher, darunter vorzugsweise Neuerscheinungen, und die Arbeit lokaler Künstler und Handwerker. Als zusätzliches Argument wird den Gästen ein exklusives Programm und die Anwesenheit des Ortsvorstehers Gerhard Strotkötter geboten. Eröffnet wird der offizielle Teil von Martina Schneider, einer der Leiterinnen der Bücherei, mit einer kurzen Rekapitulation des bisherigen Jahres. Man habe das Kinderzimmer der Bücherei neu gestaltet, einen erfolgreichen Vorlesesommer veranstaltet und die E-Book-Ausleihe werde weiter gut genutzt. Natürlich ist die jetzige Ausstellung ein Höhepunkt des Jahres, dafür habe man mit der Buchhandlung Ruthmann eine exklusive Auswahl an aktueller Literatur zusammengestellt. „Mit jeder Bestellung unterstützen Sie Ihre Laubenheimer Bücherei ganz direkt“, erklärt Schneider. Besonders freue man sich über die acht neuen Mitarbeiter in diesem Jahr, denn es sei wichtig, dass neue Mitarbeiter mit neuen Ideen hinzukommen.
Das bedeute aber nicht, dass man den langjährigen Kolleginnen nicht dankbar sei, immerhin sind viele schon über 30 Jahre engagiert. Aus diesem Grund werden die besonders treuen Mitarbeiterinnen von Pfarrer Christian Nagel im Anschluss persönlich geehrt. Als dritter Redner nutzt Strotkötter die Aufmerksamkeit, um sich bei dem engagierten Personal zu bedanken und die Bedeutung der Bücherei besonders für den Laubenheimer Nachwuchs hervorzuheben.
Ohnehin haben die Kinder in der Bücherei eine besondere Stellung. Viele der ausgestellten Bücher sind speziell für sie ausgewählt und es ist bezeichnend, dass das Programm mit dem Auftritt der Laubenheimer Kita endet: eine Tanzperformance über „Die kleine Hexe“, einem Klassiker der Kinderliteratur. Danach sind die Gäste erst mal auf sich allein gestellt, genug zu entdecken gibt es an den vielen Ständen in der Halle des Pfarrhauses. Neben den zahlreichen Kinderbüchern sind auch neu erschiene Romane und Sachbücher zu finden. Wer noch kein passendes Weihnachtsgeschenk gefunden hat, wird bei den ausstellenden Künstlern bestimmt fündig. Und wer sich von der Masse des geistigen Stoffes etwas erdrückt fühlt, findet am Essensstand in Form von Kaffee und Kuchen oder Erbsensuppe Nervennahrung.
„Wichtig ist, dass die Leute stöbern können“, sagt Schneider. Als katholische Bücherei ist ihre Aufgabe das Gemeinnützige, alle Angestellten arbeiten ehrenamtlich und das Ausleihen ist kostenlos. Der Anspruch der Bücherei ist, ein Zugang zur Literatur für alle zu legen. Unter den Besuchern und den Mitarbeitenden sind alle Religionen und Herkünfte willkommen, besonders freut sich das Team über zwei Mitarbeitende aus dem Iran, die neu dazugekommen sind.
Unter den vielen Bestsellern und Neuerscheinungen sticht eines der ausgestellten Bücher heraus. Es ist die einzige Neuerscheinung, die aus Laubenheim kommt und deren Autorin selbst anwesend ist. Dagmar Fuchs ist hauptberuflich Krankenschwester, wurde für ihr 18-jähriges Engagement bei der Bücherei ausgezeichnet und hat nebenher ein Buch über ihren krebskranken Sohn geschrieben. Dieser hat vor einigen Jahren das Ewing Sarkom, einen seltenen bösartigen Tumor, diagnostiziert bekommen, mit dem er bis heute kämpft. Fuchs befindet sich seitdem in einer doppelten Sondersituation, zum einen als Mutter und zum anderen als Pflegerin ihres Sohnes. Zuerst habe sie mit einem Tagebuch begonnen, um die Situation zu bewältigen und die damit verbundenen Gefühlswelten zu verarbeiten. Mit voranschreitendem Verlauf entwickelte sich daraus ein Buch und die Idee, dieses unter dem Titel „Ewing hat ein Sarkom vorbeigebracht“ zu veröffentlichen. Auch wenn es bis heute kein Happy-End gibt, handelt es sich nicht um eine desillusionierende Geschichte des Verfalls. Ihr Sohn ist heute 23 Jahre alt und hat geheiratet, auch wenn der Kampf weitergeht, seine aktuelle Situation ist stabil. Das Buch ist vor allem ein Bericht über den persönlichen Umgang mit einer Thematik, für die es kein Lehrbuch gibt und im besten Fall eine Hilfe für andere Betroffene oder ein Zugang für diejenigen, die das Glück haben, mit dem Thema noch keine Begegnung zu haben. Der Erlös des Buches geht an die „Ewing Sarkom Stiftung“, die Forschung an dieser seltenen Tumorerkrankung betreibt.
Noch mehr Lokales findet man an den zahlreichen Ständen der Laubenheimer Künstler und Handwerker, die hier oft schon seit vielen Jahren ihre Produkte ausstellen. So Thomas Demming, der seine Drechselarbeiten präsentiert. Als Schreinermeister beherrscht er alle Arten der Holzverarbeitung, das Drechseln sei für ihn vor allem ein Hobby, welches er ausstellt. „Aber Vorsicht“, sagt er, „es macht schnell süchtig.“ Das kann man, wenn man sich die gedrechselten Pfeffermühlen und Schalen ansieht, gut nachvollziehen. Diese einzigartige Technik macht es möglich, das Holz in eine perfekte Form zu bringen, ohne dabei seine natürliche Struktur zu beeinflussen. Das Ergebnis ist eine vollständige Rundumsicht einer auf Hochglanz polierten wunderschönen Maserung, deren willkürlich wirkende Struktur den Eindruck erweckt, als wäre die Natur selbst ausführender Künstler gewesen. Die Formen wirken einfach und wenig individuell, doch je schlichter sie sind, desto deutlicher wird die Einzigartigkeit einer jeden Maserung, gleich einem Fingerabdruck. Demmings Lieblingsholz ist die Maser-Birke, deren Name bereits auf ihre besondere Struktur hinweist.
Wer am Samstag oder Sonntag Gast in der Ausstellung „Buch und Kunst“ zu Gast war, egal ob er zu den vielen Kindern, Eltern oder anderen Interessierten gehört, konnte diese und viele weitere Kunstwerke, Neuerscheinungen und Klassiker der Literatur mit eigenen Augen sehen. Und wer dieses Jahr nicht anwesend war, der kann den Besuch ja nächstes Jahr nachholen.
Johannes Preyß