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Wie Sprache und Geschichten Menschen verbinden Theater >>>Zehn Jahre gelungene Integration in Bodenheim

Die Darsteller bedanken sich beim Publikum. Foto: Sabine Longerich

BODENHEIM – Im „Haus der Vereine“ in Bodenheim wurde vor Kurzem das Puppentheaterstück „Hans und Hannah“ aufgeführt – ein unterhaltsames Bühnenprojekt des Vereins „Kulturbunte Bodenheim, der seit mittlerweile zehn Jahren Geflüchteten den Weg in das soziale Miteinander in Ort ebnet. Die Aufführung war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Integration durch gemeinsame Erlebnisse, Sprache und Kreativität gelingen kann.

Das Stück, eine moderne Adaption des Grimm`schen Märchens „Hans im Glück“, erzählt von Hans, der auf seiner Reise immer wieder Musikinstrumente eintauscht – stets gegen minderwertigere –, bis er schließlich Hannah begegnet. Sie schenkt ihm ein besonderes Instrument, die afrikanische Kalimba, die jedoch gestohlen wird. Am Ende der Geschichte steht aber nicht der materielle Verlust im Mittelpunkt, sondern eine gemeinsame Erkenntnis: „Wir beide haben uns gefunden – und auch auf der Flöte kann man musizieren.“ Und ganz nebenbei lernten die kleinen Zuschauer auch zahlreiche Instrumente kennen, deren Klänge jeweils eingespielt wurden.

„Diese Geschichte bringt genau das auf den Punkt, was uns als „Kulturbunte“ wichtig ist“, betonte Moderatorin Doris Groß-Erlenbach während der Vorstellung. „Es geht nicht um Besitz, sondern um Begegnung, Vertrauen und den gemeinsamen Klang, den man nur im Miteinander erzeugen kann.“

Mit viel Herzblut und Engagement wurde das Stück über mehrere Monate hinweg einstudiert.  Lothar Groß schrieb das Drehbuch, komponierte die Musik und sorgte auch für die musikalische Untermalung. Er erinnerte sich: „Die Arbeit in den Proben diente nicht nur der Sprachförderung, sondern hat auch soziale und emotionale Kompetenzen gestärkt.“

Das Besondere: Die Puppen wurden von fünf Neubürgern – Zulfa, Mehtab, Abdullah, Arnaud und Hussein aus Afghanistan, dem Iran und Burkina Faso – sowie sieben ehrenamtlichen Helfern bespielt und gesprochen. Die jungen Darsteller zeigten dabei nicht nur beeindruckende Spielfreude, sondern auch bemerkenswerte Deutschkenntnisse. „Was hier auf der Bühne entstanden ist, zeigt, wie kraftvoll gemeinsames Tun ist“, bekräftigte Groß-Erlenbach. „Viele der Geflüchteten haben sich vor wenigen Monaten nicht zugetraut, Deutsch zu reden – und nun begeistern sie Kinder und Erwachsene mit ihrer Darstellung.“

Mehr als 30 Kinder verschiedener Herkunft lauschten gebannt der Geschichte, auch wenn nicht alle Inhalte bis ins Detail verstanden wurden – die Freude an den Puppen, der Musik und der Atmosphäre verband sie über alle sprachlichen Barrieren hinweg. Sehr angetan äußerte sich auch Fahima Masoomi, die vor rund drei Jahren mit Mann und Tochter Eqra aus Afghanistan nach Bodenheim kam. Die ältere Tochter besucht inzwischen die erste Klasse der Grundschule, die jüngere, in Deutschland geboren, geht seit einem halben Jahr in die Kita. Mutter Fahima nutzt seitdem die freien Vormittage, um sich intensiv mit der deutschen Kultur zu beschäftigten und sehr erfolgreich ihr Deutsch zu perfektionieren.

Mit solchen und ähnlichen interaktiven Aktionen gestalten die „Kulturbunten“ Integration lebendig – ob für Kinder oder Erwachsene. Geplant ist bereits die große Jubiläumsfeier „10 Jahre Kulturbunte“ am 31. August im Dolles-Park, zu der alle Alt- und Neubürger herzlich eingeladen sind.

„Unser Ziel ist es, nicht nur Sprache zu lehren, sondern Geschichten zu teilen – denn Geschichten verbinden Menschen über alle Grenzen hinweg“, so Groß-Erlenbach zum Abschluss. Und wer selbst Teil dieser gelebten Willkommenskultur werden möchte, findet Informationen zur Flüchtlingsinitiative auf der Homepage der Gemeinde Bodenheim, Stichwort „Bürgerinformationen“. Die Kulturbunten freuen sich über jede helfende Hand – denn Integration ist kein Zustand, sondern ein täglicher, gemeinsamer Weg.

Ein Wermutstropfen überschattete den Nachmittag jedoch: Die Zukunft des „Hauses der Vereine“ als zentraler Treffpunkt für Integrationsarbeit ist ungewiss (Journal LOKAL berichtete hier: Ungewisse Zukunft für das „Haus der Vereine“ in Bodenheim ). „Gerade dieser Ort ist für uns von unschätzbarem Wert“, so Groß-Erlenbach. „Er ist nicht nur ein Gebäude – er ist ein Symbol für Teilhabe, für Heimat auf Zeit und für das Versprechen, dass niemand vergessen wird.“

 

Sabine Longerich