OBER-OLM – Sie erinnern an Läden, die es fast nicht mehr gibt: an den Schuhmacher, den Schneider oder den kleinen Eisenwarenhandel um die Ecke, die man mit dem kaputten Schuh oder einem Riss im das Hemd aufgesucht hat. Gemeint sind die Repair Cafés. Wie das von Ober-Olm, das jetzt kürzlich nach der Corona-Pause seine Pforten wieder öffnete, diesmal in der Ulmenhalle. Mit dem ersten Interessenten tauchte der Geist der erwähnten Dorf- und Kleinstadtläden auf, in denen der Kunde immer die Lösungen für die Alltagsprobleme fand. Die Anlaufstelle für defekte Haushaltsgegenstände, die man nicht so gern wegwerfen möchte, entstand in Ober-Olm unter der Ägide der Seniorenvertretung. „Wir entwickeln uns seit Januar prächtig“, sagt Wendelin Schultheis. „Wir wollten etwas Eigenes, denn sechs Prozent der Ober-Olmer sind zum Repair Café nach Nieder-Olm gefahren.“ Der Zulauf, sowohl beim Re-Start als auch schon bei der Premiere, belegt den Bedarf.
„Wegen der Hygienevorschriften verzichteten wir auf Kaffee und Kuchen“. So wartet die Kundschaft mit dem vorgeschriebenen Abstand zueinander und zu den Reparaturstationen. An einem der vier Tische haben gerade Dietmar Kirschner und Wilfried Schmahl einer Lampe das Leben verlängert. Dann schauen sie sich einen Toaster an. Beide arbeiten Hand in Hand, um die Ursache herauszufinden. „Er hält unten nicht an“, sagt Kirschner. „Wegwerfen kann ich ihn immer“, kommentiert die Besitzerin. Neben an: ein seltenes Objekt im Repair Café: die Nähmaschine der Marke Pfaff. Nicht als Patient, sondern als Hilfsmittel, um Stoffe auszubessern. Die Hosenträger an der Latzhose beispielsweise. „Meine chinesische Nähmaschine hat da versagt“, meint Helmut Wiegel. An seinem Arbeitshemd will er zudem die löchrigen Ärmel gekürzt haben. „Das ist ansonsten noch ein super Hemd.“ Anne Habel ist an der Pfaff so flink, wie die Herren mit ihren Schraubenziehern. Vor Augenblicken besserte sie einen handgefertigten Bettvorleger aus Leder aus. „Hier sind Profis am Werk“, stellt Wiegel fest. „In jedem Ort müsste es so was geben.“
Mit Hans Peter Broy arbeitet Seite an Seite sein Enkel. Lars ist acht Jahre alt. Er sei hier, weil „es Spaß macht“. Einen Staubsauger, eine Bohrmaschine und schließlich das Bügeleisen, das die Landrätin des Kreises Mainz-Bingen, Dorothea Schäfer (CDU) mitbringt, gehen über den Reparaturtisch. Schäfer schaut vorbei, um das Engagement der Seniorenvertretung und der technisch versierten Helfer zu würdigen. Der Landkreis gewährte übrigens den Ober-Olmern einen Zuschuss von rund 1.800 Euro für die Werkzeuge. Während sie mit den Gästen spricht, zeigt ihr Bügeleisen an der Steckdose keine Reaktion. „Wir müssen es auseinanderbauen“, sagt Broy. „Ja! Auseinander bauen“, freut sich der Enkel.
Der Toaster am Nachbartisch wird unterdessen nicht gerettet. Zu speziell sei das Ersatzteil. Vielleicht wird es der Küchenmaschine besser ergehen. „Winfried, Skalpell und Tupfer“, scherzt Kirschner in Richtung seines Kollegen. So geht es mehrere Stunden munter weiter. Viele Geräte bekommen eine zweite Lebenschance. Ein Schritt gegen die Wegwerfgesellschaft, den auch das Nieder-Olmer Repair Cafés zuletzt wieder neu wagte. Die Techniker drückten den Restart-Knopf nach der Corona-Pause allerdings nicht im heimischen Juhubu-Haus in Nieder-Olm, sondern in Stadecken-Elsheim. Das großzügige Raumangebot der Selztalhalle genügte den Hygienevorschriften. Über 30 Geräte konnten dort an zwölf Reparatur-Stationen wiederbelebt werden, so die Rückmeldung der Reparateure. Zum nächsten Repair-Termin laden die Nieder-Olmer für 8. August nach Zornheim ein. In Ober-Olm geht es am 29. August weiter.