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Wo der Wein sehr viele Wanderer erheitert

EBERSHEIM -Auf einem sieben Kilometer langen Weg 13 Mal einen Wein probieren: Das bedeutet im Durchschnitt, alle 1800 Meter das Glas zu heben. Was lustig klingt, hält, was es verspricht, wie der Selbstversuch beweist. Mit der Familie und einer Bekannten aus Frankfurt brechen wir am Pfingstsonntag nach Ebersheim auf: zu einer Weinwanderung, die die Ebersheimer Winzer mit dem Slogan„13 Winzer, 7 Kilometer, 100 Prozent Spaß“, treffend beworben haben. Tausende Gleichgesinnte von der Gattung „Weinliebhaber und Wanderfreund“ stürmen im Verlauf des Tages die Kassen. Am Start werden sie mit einem Wanderpass für 15 Euro, einem Weinglas und einem Plastikbecher fürs Mineralwasser ausgestattet. Die Warteschlange reicht zur Hauptzeit knapp 100 Meter zurück. Darunter viele junge Menschen und Familien mit Picknickausrüstung, die sich den Weingenuss in der Natur nicht entgehen lassen wollen. „Wie ist denn der Geschmack?“, fragt gleich am ersten Stand Eva Vollmer, die innovative Winzerin aus Ebersheim. Sie schenkt den gewünschten Wein ein, einen Spätburgunder feinherb, und erläutert das Wanderprinzip. „Dann nimmt der Winzer den Pass, stempelt ab und wünscht ,Guten Weg’.“ Man könnte den Weg auch länger als zehn Kilometer machen, fügt sie hinzu. „Aber es ist eine Weinwanderung und der Gast soll nicht fix und fertig am Ziel ankommen, sondern immer noch entspannt sein.“ Auch das Schreiben muss gehen. Daher nippe ich am Glas und teile den Wein mit meiner Frau. Der Gott Bacchus möge mir die Zurückhaltung vergeben.

 

Denn es macht Spaß, alle 2000 Meter abzuwägen: „Was trinke ich jetzt? Den Grauburgunder, Weißburgunder, Dornfelder, Chardonnay, Huxelrebe, Riesling, Rivaner, Silvaner, Morio Muskat, Gewürztraminer oder sonst was?“ Pro Stand erhält der Wanderer laut Wanderpass eine Weinmenge von 0,05 Liter. Wer mehr testen will, bezahlt es extra. Doch die Winzer sind spendabel: Im Allgemeinen landen zwei Deziliter im Glas. „Das multip…, multipliziert mit 13 macht..?“ Ich überlasse das Rechnen meiner Tochter. Die Sonne scheint. Glücklicherweise kühlt uns der Wind etwas ab. Ich muss mich bremsen und reichlich Wasser trinken. Das gibt es nach Belieben kostenlos dazu. Natürlich will ich die Leckereien nicht unerwähnt lassen. Am Tisch löst der Wein die Zunge. Ein Herr am Stand des Weinguts Janz fragt, ob er sich dazusetzen könne. Er findet uns „optisch ansprechend“, meint er. Von der Mosel sei er hergekommen. „Wir haben die besseren Weine. Aber die Bergtour hier ist super.“ Nächstes Jahr schaue er wieder vorbei, sagt er und steht dann doch auf. „Meine Chefin kommt.“ Der Wein schwirrt mir im Kopfherum. Jetzt mal langsam. Pause. Wasser trinken und die Landschaft genießen. Die Bekannte aus Frankfurt ist hin und weg. „Das ist soo schön.“ Die Wanderung müsse sie mit uns im kommenden Jahr wiederholen, sagt sie, „und noch ein paar Leute einladen“. Die Ebersheimer Winzer wird es freuen.

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Ich schreibe und fotografiere seit 2013 für Journal LOKAL - die lokale Zeitung. Die Begeisterung für die Lokalmedien entdeckte ich während des Studiums der katholischen Theologie und habe seit 2007 für Lokalzeitungen, öffentliche Einrichtungen und Online-Medien gearbeitet. Mich fasziniert der wunderbare Alltag. Unterwegs bin ich für Themen in Rheinhessen rund um Mainz.