GAU ALGESHEIM – Der Radsportverein 1898 Gau-Algesheim (RSV), der in diesem Jahr das 125. Jubiläum seiner Gründung feiert, lädt zu einer Radrundtour ein. Der Start- und Zielpunkt der Fahrt durch die Verbandsgemeinde Gau-Algesheim, die am 18. Juni, von 9 bis 14 Uhr, geplant ist, befindet sich am rheinhessischen Fahrradmuseum im Schloss Ardeck. Genau dort, wo noch bis Oktober eine Sonderausstellung gastiert, die einen ausführlichen Überblick über 125 Jahre Radfahrgeschichte des Vereins gibt.
Wer das Zweirad in Gau-Algesheim als erster in Bewegung gesetzt hat, weiß nicht nur die Chronik, sondern auch Hermann Schön, ein leidenschaftlicher Radfahrer, der dem RSV 1977 zusammen mit seinem Bruder Robert den Jugendeuropameistertitel schenkte.
„Anfangs traf man sich nach Feierabend, um sich dem neuen Spielzeug zu widmen, das – vergleichbar einem neuen Computer – damals ganz modern war.“ Natürlich konnte sich Ende des 19. Jahrhunderts nicht jeder ein Zweirad leisten, das inzwischen als Sicherheitsniederrad konstruiert worden war. „Es waren Advokaten, Akademiker“, sagt Schön. So wurde Im Gasthaus „Zum Deutschen Haus“ Quirin Mayer – ein „Dr. med.“ – zum ersten Vorsitzenden des Radfahrer-Vereins Gau-Algesheim bestimmt.
„Zunächst stand weniger die Schnelligkeit und vielmehr die Geschicklichkeit im Vordergrund“. Die Übungen auf dem Rad hatten bisweilen einen militärischen Hauch. „Wie die Ritter auf einem Ross, versuchten die Männer auf dem Rad mit einem Degen ein baumelndes Ziel zu treffen.“ Oder man hatte sich den Ball zugespielt. Das Tempo- und das Kunstradfahren kamen etwas später: bedingt durch die Weiterentwicklung des Fahrgestells und der Reifen.
Der Übergang von der Freizeitbeschäftigung zum echten Radsport setzte nach dem Ersten Weltkrieg ein. Beim Meisterschaftsrennen des Hessisch-Nassauischen Radfahrerbundes 1921, das über 100 Kilometer durch Rheinhessen führte, betreute der Verein die Strecke Ockenheim-Ingelheim. Ein Vereinsmitglied kam auf den 3. Platz.
Der Sportbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Radsportabteilung innerhalb der Sportvereinigung Gau-Algesheim eingerichtet. Doch die Radfahrer strebten die Autarkie an. Das gelang durch einen Glücksfall: Ein Mitglied schenkte dem Verein Grund und Boden für den Bau der eigenen Trainingshalle in 1959, der mit viel Ehrenamt und reichlich Eigenleistung bewältigt wurde.
„Mit den verbesserten Trainingsbedingungen kamen auch die sportlichen Erfolge wie 1973 der Gewinn eines ersten Deutschen Meistertitels im Schüler-Radball.“ Zehn Jahre danach bekam die Halle einen Anbau mit Verbesserung der Sanitäranlagen und mehr Platz für größere Veranstaltungen. Im Zuge der „Trimm-dich-Bewegung“ initiierte der RSV das Volksradfahren. 1975 nehmen daran 221 Radfahrer teil. „Sechs Jahre später sind es 1.900.“ Das 47. Volksradfahren im Jubiläumsjahr 2023 steht im Anschluss an das Stadtradeln an.
1977 feierte der RSV der ersten internationalen Titel: aus Holland brachten die Brüder Schön den Europacup in Zweierradfahren. „Das ist schon so lang her, aber es ist immer noch ein schönes Gefühl, wenn ich darauf angesprochen werde“, erzählt Schön.
In den 1980-er Jahren stellte sich der Verein breiter auf. Die Jugendarbeit wurde verstärkt und in 2016 der größte Erfolg gefeiert: Lisa Hattemer wurde Weltmeisterin im Kunstrad-1er der Frauen. 2013 hatte sie bereits Silber und 2015 Bronze geholt. Die Trainerin, die jetzt vier Jahre in den USA verbringt, soll die Moderation bei Jubiläums-Feier des Vereins „Rad-Zeit-Reise“ mit übernehmen, kündigt Schön an. Die Mitgliederzahl stabilisieren – derzeit sind es 300, 40 davon jugendlich – das Ehrenamt stärken, die Halle und die Trainingsbedingungen erhalten: Das sind die Zutaten, die dem RSV die Zukunft sichern sollen. In der Öffentlichkeit zeigt der Verein das Gesicht demnächst bei Stadtradeln: Zum Abschluss, am 10. September, lädt der RSV zum Volksradfahren ein.
Autor: Gregor Starosczyk-Gerlach