
ALTSTADT – Mit ihrem ersten reinen A-cappella-Album „Vetrarsól – Voices of the Winter Sun“ besuchen Árstíðir im Rahmen ihrer Europatour am 28. November 2025 auch das Kulturzentrum (KUZ) in Mainz. Für das isländische Trio ist es der erste Auftritt in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, der, wie sie selbst sagen, längst überfällig sei. „Es wurde langsam Zeit! Und an all unsere Zuhörerinnen und Zuhörer in Mainz: Wir möchten uns dafür entschuldigen, dass wir nicht schon früher für euch gespielt haben“, erklärt die Band im Gespräch mit Journal LOKAL.
„Vetrarsól“ erschien am 8. November 2024 und wurde im eigenen Studio in Reykjavík aufgenommen. Das Album knüpft an das beliebte Weihnachtsprogramm an, mit dem Árstíðir bereits 2024 europaweit erfolgreich waren. Die diesjährige Tour führt die Musiker in 14 Städte in Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz.
Bekannt wurden Árstíðir 2013 mit einem spontanen A-cappella-Auftritt in der Wuppertaler Bahnhofshalle. Das Video ihrer Interpretation der 800 Jahre alten Hymne „Heyr himna smiður“ verbreitete sich viral – gegenwärtig verzeichnet es über acht Millionen Aufrufe. Es machte die Band international bekannt. Seitdem begeistern Guðjón Ólafsson, Daniel Auðunsson und Karl James Pestka ihr Publikum mit Harmonien, kammermusikalischer Präzision und einer unverwechselbaren Mischung aus Folk, Klassik und zeitgenössischen Einflüssen.

Journal LOKAL: Mainz steht zum ersten Mal auf eurem Tourplan. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Árstíðir: Es wurde langsam Zeit! Und an all unsere Zuhörerinnen und Zuhörer in Mainz: Wir möchten uns dafür entschuldigen, dass wir nicht schon früher für euch gespielt haben!
Journal LOKAL: Wie wählt ihr generell eure Tour-Orte aus?
Árstíðir: Eine Tour zusammenzustellen ist eine Kunst für sich. Man muss Orte finden, die nicht allzu weit voneinander entfernt liegen, mit Spielstätten, die zur Band passen – und diese müssen dann auch noch genau an den Terminen verfügbar sein, an denen man unterwegs ist. Es braucht also viele Faktoren, die ineinandergreifen müssen, damit eine Tour zustande kommt. Wir haben großes Glück, in Deutschland mit großartigen Menschen zusammenzuarbeiten, die uns genau dabei unterstützen
Journal LOKAL: Wie wichtig ist es euch, ein neues Publikum zu erreichen, das euch vielleicht noch nie live gesehen hat?
Árstíðir: Unsere Musik ist sehr emotional. Deshalb ist es uns enorm wichtig, im selben Raum zu sein wie die Menschen, für die wir spielen. Wenn wir sie spüren, können sie auch unsere Musik spüren. Wir sind sehr stolz auf unsere Studioalben, aber sie reichen nie an jene Magie heran, die entstehen kann, wenn wir live auftreten.
Journal LOKAL: Deutschland hat eine starke Chormusiktradition. Spürt ihr in deutschsprachigen Ländern eine besondere Resonanz auf eure A-cappella-Stücke?
Árstíðir: Auf jeden Fall!
Journal LOKAL: Was hat euch motiviert, mit „Voices of the Winter Sun“ ein reines A-cappella-Album aufzunehmen?
Árstíðir: Unsere Fans haben’s möglich gemacht! Viele unserer Hörerinnen und Hörer haben uns entdeckt, als wir mit einem YouTube-Video viral gingen, in dem wir in der Wuppertaler Bahnhofshalle ganz spontan einen 800 Jahre alten isländischen Hymnus singen. Seitdem werden wir immer wieder gebeten, ein ganzes Album nur mit isländischen Chorstücken aufzunehmen und jetzt haben wir es endlich getan.
Journal LOKAL: Was möchtet ihr mit Vetrarsól in deutschen Konzertsälen erreichen, gerade in den Wintermonaten?
Árstíðir: Wir hoffen, unseren deutschen Zuhörerinnen und Zuhörern ein Stück isländische Winterstimmung näherzubringen. Die Musik unseres Landes ist stark von Natur und Jahreszeiten geprägt. Nicht umsonst haben wir unsere Band Árstíðir genannt, was auf Isländisch „Jahreszeiten“ bedeutet. Besonders der Winter beeinflusst unsere Klangwelt. Die Winter hier sind dramatisch und zugleich wunderschön, und das Licht dieser Jahreszeit ist einfach magisch. Vetrarsól heißt auf Isländisch „Wintersonne“
Journal LOKAL: Welche Rolle spielt Sprache für eure Musik? Wie überwindet das Publikum die Sprachbarriere?
Árstíðir: Wenn Menschen Musik in einer Sprache hören, die sie nicht verstehen, öffnen sie sich oft stärker der universellen Sprache der Musir, also einer Sprache, die wir alle teilen und die kulturelle wie sprachliche Grenzen mühelos überwindet. Unsere Band steht genau für diese internationale Sprache der Musik.
Journal LOKAL: Eure Musik wirkt oft wie ein leiser Gegenpol zur lauten Welt. In welchem Maß ist das beabsichtigt?
Árstíðir: Das ist ein sehr treffender Punkt. Wir sind eine Band, die Stille ganz bewusst als Gestaltungsmittel einsetzt. Auf diese Weise schaffen wir Raum für Emotionen und Gefühle. In einer Zeit, in der alle von Informationen und Eindrücken überflutet werden, fällt es schwer, Orte und Momente zu finden, in denen man einfach nur fühlen und reflektieren kann. Unsere Musik bietet besonders live genau dies, und zwar wenn wir diesen Moment mit dem Publikum im Raum teilen und gemeinsam genießen können.
Journal LOKAL: Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zum Publikum, gerade in einem kleineren Club wie dem Kulturzentrum?
Árstíðir: Wir sagen immer: Das Publikum erledigt die Hälfte der Arbeit! Wir spielen die Musik, aber das Zuhören macht die anderen fünfzig Prozent eines Konzerts aus. Und je aufmerksamer das Publikum zuhört, desto besser spielt die Band. Die Verbindung zum Publikum ist deshalb das Wichtigste. Kleinere Clubs helfen uns oft dabei, die Menschen, für die wir spielen, wirklich zu sehen, zu hören und zu spüren und das ist großartig.
Journal LOKAL: Was wünscht ihr euch vom Publikum in Mainz?
Árstíðir: Wir würden uns freuen, wenn ihr uns am 28. November für 100 Minuten eure volle Aufmerksamkeit schenkt. Im Gegenzug geben wir euch das Kostbarste, was wir besitzen: unsere Gefühle, unsere Musik und ein Stück unserer isländischen Kultur.
Wo berühren sich für euch Island und Deutschland musikalisch, aber auch emotional?
Árstíðir: Seit wir 2011 mit unserer Band auf Tour gegangen sind, haben wir Deutschland immer als unser zweites Zuhause empfunden. Beide Länder scheinen eine ähnliche Wertschätzung für Musik zu teilen, und wir schwingen auf so vielen musikalischen und emotionalen Frequenzen im Gleichklang.
Journal LOKAL: Könntet ihr euch vorstellen, künftig auch etwas auf Deutsch zu singen?
Árstíðir: Auf jeden Fall! Vor ein paar Jahren haben wir ein Arrangement des wunderschönen deutschen Liedes „Bist du bei mir“ gemacht. Wir haben es für ein Album aufgenommen, das wir gemeinsam mit der niederländischen Sängerin Anneke van Giersbergen produziert haben. Es gibt so viel schöne deutsche Musik, sowohl alte als auch neue, und deshalb sind wir auf jeden Fall offen dafür, in Zukunft einiges davon zu spielen und zu singen.
Journal LOKAL: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Gregor Starosczyk-Gerlach























