BODENHEIM – Mit der Verhängung des Lockdowns Mitte März 2020 hatten Bund und Länder u. a. auch Chorgesang strikt untersagt, da sich das Virus durch Singen erheblich schneller streut. „Das war für uns schon sehr bitter, als der Corona-Lockdown eine jähe Unterbrechung der Chorarbeit verordnete. Standen doch Konzerte im Frühjahr und Sommer an“, so Peter Kögler, 2. Vorsitzender des „Gesangverein Concordia Bodenheim 1872 e. V.“ und Hauptverantwortlicher für dessen Unterchor „free voices“.
Am 10. Juni 2020 trat eine neue Corona-Verordnung in Rheinland-Pfalz in Kraft, die das gemeinsame Proben in Chören wieder erlaubte, wenn auch mit reduzierter Teilnehmerzahl und unter strengen Auflagen.
Vorbereitungen extern
Zunächst musste die Verantwortlichen der „Concordia“ eine Außenfläche finden, die so groß war, dass die vorgeschriebene Zahl von maximal 30 Sängerinnen und Sängern nach allen Seiten 3 Meter Abstand einhalten konnte. Diese fand man im Innenhof der Verbandsgemeinde Bodenheim am Dolles. „Es folgten Gespräche mit dem Eigentümer des Geländes in Person des Verbandsbürgermeister Dr. Robert Scheurer und mit Ortsbürgermeister Thomas Becker-Theilig, der u. a. die Toiletten im Bürgerhaus Dolles auf dem Gelände zur Verfügung stellte“, so der 1. Vorsitzende der „Concordia“, Gerald Leber. Die Vereinbarungen wurden zwischen Chor sowie Verbands- und Ortsgemeinde Bodenheim besiegelt.
Vorbereitungen intern
Auch Chor-intern gab es im Vorfeld einiges zu regeln. Alle 80 Mitglieder der „free voices“ wurden persönlich angeschrieben mit Aufforderung mitzuteilen, ob sie an der ersten, für den 29. Juni angesetzten Probe definitiv teilnehmen. Der Rücklauf der Befragung ging wiederum an Chorleiter Michael Christ, Leiter der Musiklehrergemeinschaft TONART in Mainz-Laubenheim. Christ stellte aus diesen Rückmeldungen zwei gleich leistungsfähige 30-ger-Chöre zusammen, die jeweils in einem verbindlichen Stellplan untergebracht wurden. Diese Arbeit erledigte ein Organisationsteam. Identisch mit diesem Stellplan machte Gerald Leber vor Probenbeginn Fotos des aufgestellten Chors, um die Aufstellung zu dokumentieren.
Dann ging es los
Vorstandsmitglieder und Helfende hatten vor Probenbeginn den Innenhof der VG mit weiß-roten Absperrbändern in drei-Meter-Abständen ausgelegt und auf jedem Band wiederum drei-Meter-Markierungen angebracht. Gegen 19:45 Uhr trudelten die ersten Sängerinnen und Sänger in dem von der Abendsonne beschienen Ambiente ein. Mit Maske natürlich, die bis zur Einnahme des vorgeschriebenen Platzes zu tragen war. Vorher aber musste jede Einzelne eine vorgefertigte Zustimmungserklärung unterschreiben, die Helferinnen unter den Arkaden einsammelten. Denn nur von dort war der Zugang auf das Geländes möglich, das ansonsten rundherum abgesperrt war.
Pünktlich um 20.00 Uhr startete Michael Christ mit kurzen Einsingübungen. Galt es nicht nur, die eigene Stimme vorzubereiten, sondern auch erste Erfahrungen mit der neuen „Raumakustik“ zu machen. Während der Chor bisher nur in geschlossenen Raum geprobt hatte, verflog der Klang jetzt in alle Himmels- und Windrichtungen. „Es war ganz eigenartig, man hat nur sich selbst gehört“, beschrieben Chormitglieder das ganz neue Gefühl des open-air-Gesangs nach der Probe. Aber erstaunlich, wie schnell sich der Klangkörper, unterstützt durch Ansagen des Chorleiters, mit der ungewöhnlichen Situation zurechtfand. Dann folgte die Wiederaufnahme bereits bekannter Lieder. Das waren „Love of my Life“ von Queen in einem Arrangement von Michael Christ, „Look at the World“ von John Rutter und „Will lift up my Hands“ von Hans Christian Joachimsen. Unterstützt durch das E-Pianospiel eignete sich der Chor die vierstimmigen Sätze sehr schnell wieder an, trotz ungewohnter Umgebung. Er lieferte einen sehr sauberen Chorklang ab und konnte nach Anweisung hörbare Fortschritte bei der Interpretation der einzelnen Stücke erzielen. Kurz vor 21.00 Uhr machte sich dann schon die zweite 30-er-Schicht unter den Arkaden bemerkbar. Während die erste das Gelände über den Parkeingang verließ, begann das gleiche Prozedere für die zweite Gruppe von Neuem. Bis 22.00 Uhr.
Blick ins Land
In einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz spielt das Chorwesen eine sehr wichtige Rolle. Hunderte von Chören beteiligen sich an kleineren und größeren Veranstaltungen ihrer Heimatgemeinde und pflegen Kontakte zu ihren Sangesbrüdern und -schwestern in der Umgebung. Sie bilden den sozialen Kitt in unserem ländlich geprägten Bundesland. Alleine im Dachverband „Chorverband Rheinland-Pfalz“ sind 1.900 Chöre in 1.300 Vereinen mit ca. 131.000 aktiven und passiven Mitgliedern organisiert. Unter ihnen der „Gesangverein Concordia 1872 Bodenheim“ mit den „Männern“ als Gründungschor und dem seit ca. 20 Jahren bestehenden gemischten Chor „free voices“. Beide Chöre beteiligen sich an Fastnachtsveranstaltungen, Gottesdiensten und natürlich beim St. Albansfest.
Man kann nur hoffen und wünschen, dass dem ca. 35-köpfigen Männerchor ein genauso gelungener Restart zusammen mit ihrem Leiter Frank Häser gelingt. Allerdings dann mit Stühlen, die vor und nach der Veranstaltung desinfiziert werden.
Ulrich Nilles