NACKENHEIM/MAINZ – Im Rahmen des rheinhessischen Zuckmayer-Jahres lud die Volkshochschule (VHS) Nackenheim zu einer besonderen Stadtführung in Mainz ein. Im Mittelpunkt standen die Originalschauplätze des Films „Die Fastnachtsbeichte“, basierend auf der gleichnamigen Novelle des Nackenheimers Carl Zuckmayer. Bereits im Vorfeld hatte die VHS eine gut besuchte Filmvorführung in Nackenheim organisiert. Anlass für das Festjahr ist das 100. Jubiläum der Uraufführung von Zuckmayers „Fröhlichem Weinberg“.
Ein besonderer Glücksfall war die Begleitung durch den Gästeführer Franz Winkler, der als Elfjähriger in Wilhelm Dieterles Verfilmung von 1960 mitwirkte. Winkler, inzwischen 75 Jahre alt, nahm die Teilnehmer mit auf eine Zeitreise durch die Mainzer Altstadt und erzählte lebendig von den Dreharbeiten. Mit leuchtenden Augen erinnerte er sich an die Hauptdarsteller, unter anderen Hans Söhnker, Götz George und Berta Drews.

Foto: Sabine Longerich
Der Film vereint Kriminaldrama und Familiensaga vor der Kulisse der Mainzer Fastnacht im Jahr 1913. Die Handlung beginnt im Dom, wo ein Soldat mit einem Stilett im Rücken zusammenbricht – ein Mordfall, der tief in die Geschichte der angesehenen Familie Panezza verwoben ist. Adelbert Panezza, dargestellt von Hans Söhnker, ist der Fastnachtsprinz, während sein Sohn Jeanmarie als Dragonerleutnant dient. Als die sizilianische Cousine Viola (Gitty Daruga) auftaucht, nimmt das Drama seinen Lauf. Die Erzählung entfaltet sich in einem dichten Netz aus familiären Geheimnissen, Intrigen und Leidenschaften, die vor dem Hintergrund der ausgelassenen Fastnacht eine besondere Intensität erhalten.
Winkler berichtete zu Beginn der Führung, dass einige Kritiker den Film bei seiner Uraufführung 1960 als verwirrend empfanden. Viele Mainzer waren zudem enttäuscht, dass einige Szenen nicht in Mainz, sondern in Berlin und im Rheingau gedreht worden waren. Der Film verschwand bald aus den Kinos, erlangte jedoch in den 1970er-Jahren Kultstatus.

Foto: Sabine Longerich
Die Führung begann also am Fischtorbrunnen, dem einzigen Viertel der Mainzer Altstadt, das 1960 noch genauso aussah wie 1913. Weiter ging es zur Uferstraße am Rhein, durch die im Film der Fastnachtsumzug verlief. Winkler erzählte beim Anleger der KD-Flotte eindrucksvoll von der alten Stadthalle, die 1945 zerstört wurde. Im Film spielte diese Umgebung eine zentrale Rolle. Hier fanden die dramatische Demaskierungsszene und die teilweise Auflösung des Mordfalls statt.
Ebenfalls interessant war Winklers Information am ehemaligen Brauhaus „Roter Kopf“: Mainz war einst eine Bierstadt, da der Wein für die meisten Bewohner zu teuer war. Immer wieder flossen historische Details in seine Schilderungen ein. Am Liebfrauenplatz angekommen, erzählte Winkler vom Beichtstuhl im Mainzer Dom, in dem die titelgebende Fastnachtsbeichte stattfand – Momente voller Dramatik und Schuld. Diese Bilder vor Augen, betrachteten die Besucher den Beichtstuhl im Dom entsprechend respektvoll. Weitere Schlüsselszenen wurden im Arnsberger Hof und im Kirschgarten gedreht, der im Film das Rotlichtviertel darstellte. Winkler betonte, wie besonders es damals war und heute noch ist, diese Orte noch betreten zu können, da sehr viele Gebäude im Krieg zerstört worden waren.

Foto: Sabine Longerich
Die Führung war mehr als nur ein Spaziergang durch Mainz. Die Teilnehmenden hörten Winkler gebannt zu, als er Anekdoten aus seiner Kindheit rund um die Dreharbeiten erzählte, und am Ende waren viele inspiriert, Zuckmayers Novelle erneut zu lesen. Auch die Atmosphäre der Stadt Mainz während der Fastnacht, die bis heute eine der größten in Deutschland ist, wurde von Winkler lebendig geschildert. Zum Abschluss berichtete er schmunzelnd, dass das Honorar für die jugendlichen Statisten aus Schokolade bestand: „Zwei von den Klepperkindern wurden in Schokolade aufgewogen!“ Die Führung endete mit herzlichem Applaus – eine würdige Hommage an Zuckmayer, den Film und einen Mann, der die Geschichte lebendig hält. Die Besucher gingen mit einem neuen Blick auf die Hauptstadt nach Hause, erfüllt von den Geschichten und Erinnerungen, die Winkler so lebhaft vermittelt hatte. Ein bewegender Nachmittag, der noch lange nachklingen wird.
Sabine Longerich