HECHTSHEIM – Dankbarkeit, Dankbarkeit und nochmal Dankbarkeit: Johann Jotzo hat nur die eine Begründung für seine Fußreise, die er auf dem Lutherweg von Worms bis zur Wartburg im Alter von 90 Jahren vor Kurzem erst bewältigt hat. Insgesamt sind es knapp 240 Kilometer geworden, die Jotzo in 23 Tagen gemeinsam mit seinem Kompagnon, Uwe Redmer aus Nierstein, gewandert ist: in kleinen Etappen und mit Übernachtungen in Pilgerherbergen und Hotelzimmern.
Bei der Hechtsheimer Ortsvorsteherin Ulrike Cohnen (CDU), die ihn in der Ortsverwaltung empfangen und mit einem Weinpräsent und dem Buch über die Geschichte des Weinbaus in Hechtsheim überrascht hat, gibt er – immer wieder bewegt – viele Details der Pilgerschaft preis. Eines Fußmarschs, auf dem vielfach Tränen geflossen sind: neben der geschilderten Dankbarkeit aber genauso erfüllt von Pein. Denn mittendrin schien die Wanderschaft jäh unterbrochen zu werden. Die Hüfte bereitete Probleme, ans Weitergehen war nicht zu denken. Jotzo musste zurück nach Mainz.
Die noch so frische Erinnerung klingt lebendig. Der Gründer des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) in Hechtsheim untermalt sie immer wieder mit anderen Beispielen. Gleich Fußnoten erlauben sie Außenstehenden, das Dankbarkeitsgefühl zu verstehen, das der gläubige Christ empfindet und als Einwirkung einer höheren Macht ausdrückt. Denn wie jene Ausweglosigkeit auf dem Lutherweg begaben sich auch andere Hindernisse in sein Leben.
Zweimal musste Jotzo in den Rollstuhl. Es seien die Folgen der Rückenprobleme in der Wirbelsäule gewesen, die er sich im „Frondienst für die Sowjets beim Heben von Baumstämmen“ zugezogen habe. Das dritte Mal entfloh er dem Rollstuhl durch Training. Seitdem macht er jeden Morgen seine Übungen, gleich nach dem Morgengebet. Dass er ohne Studium im Landwirtschaftsministerium als Beamter tätig sein konnte, wie auch die Führung seiner Familie in der Zeit seiner Arbeitslosigkeit, ordnet er ebenfalls Gottes Wirkung zu. „Gott hat mir im Leben Engel an den Weg gestellt: so viele liebe Menschen.“
Wie zuletzt seinen Arzt, der ihn für die restliche Pilgerreise fit machen konnte. Danach coachte seine Enkelin seine Wanderung bis zur Wartburg. Sie organisierte die Übernachtungen, sorgte dafür, dass das Gepäck von Ort zu Ort transportiert wurde und stand in Rufbereitschaft.
Auf der Wartburg angekommen, erlebte Johann Jotzo schließlich einen Schlüsselmoment: „Ich kam vor das Zimmer von Martin Luther und dachte darüber nach, wie viel Bedeutendes von hier in die ganze Welt ging.“ Die Gefühle überwältigten den Hechtsheimer Pilger erneut. Es flossen Tränen.
Seine Dankbarkeit will Johann Jotzo mit einer weiteren Tat ausdrücken: Im September will er in Hechtsheim, wo auch die von ihm gegründete Stiftung agiert, einen neuen Verein aus der Taufe heben, der Familien und Kinder in Not unterstützen soll. Dabei betont er, dass der Verein – wie alle sozialen Aktivitäten in der Stadt, die der 90-Jährige gemeinsam mit dem CVJM umsetzt – dem Bibelzitat aus dem Alten Testament verpflichtet sein soll: „Suchet der Stadt Bestes.“
Autor: Gregor Starosczyk-Gerlach