
ALTSTADT – So fühlt sich eine Straße ohne Autos an: Die Bürgerinitiative MainzZero verwandelte die Neutorstraße Ende Juni in eine belebte Sommerstraße (Journal LOKAL berichtete hier). Statt Autos dominierten Schatten, Pflanzen und nachbarschaftliche Begegnungen das Straßenbild. Die Aktion gehörte zur städtischen Reihe „Meenzer Sommer- und Nachbarschaftsstraße“. Auf dem Papier wünscht sich die Landeshauptstadt jährlich mindestens zehn solcher Umgestaltungen.
Dem hier vorliegenden Resümee zu den Aktionstagen in der Neutorstraße liegt eine Betrachtung zugrunde, die im Nachgang entstanden ist. Sowohl die BI als auch die Stadt Mainz wurden um eine Einschätzung gebeten. Ihre Antworten bilden die Grundlage der folgenden Zusammenfassung. Beide Perspektiven akzentuieren die Grundidee unterschiedlich, dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar. Beide Seiten betonen zwar den experimentellen Charakter der Aktionen. Während die Stadt von einem bewusst nicht zentral gesteuerten, sich organisch entwickelnden Prozess spricht, drängt MainzZero auf eine deutlich aktivere Rolle der Verwaltung.
Info vorab: Die sogenannten „Meenzer Sommerstraßen“ sind ein noch junges Format in Mainz, das temporär Straßenräume für den Autoverkehr sperrt und in Orte des Austauschs und der Begegnung verwandelt. Die Vorlage der Stadt als offen angelegtes Angebot, das flexibel von Nachbarschaften initiiert und beantragt werden kann, nutzte die BI als ein gezieltes Mittel zur Sensibilisierung für Klimaanpassung, Hitzeschutz und alternative Stadtnutzung.
Für MainzZero hatte die Wahl der Neutorstraße eine strategische Bedeutung: Die enge, stark versiegelte Straße im Altstadtbereich gilt als Hitze-Hotspot. Sie weist aber eine Aufenthaltsqualität auf – unter der Bedingung, dass die Autos weichen. Die BI wollte mit der Aktion nicht nur einen Impuls setzen, sondern auch eine nachhaltige Umgestaltung ins Gespräch bringen. Dass daraus eine Petition aus der Nachbarschaft hervorging, sieht die BI als einen Erfolg. Die Stadt wiederum verweist darauf, dass eine dauerhafte Umgestaltung der Straße nicht in Planung sei und gegebenenfalls politisch diskutiert werden müsse. Aus deren Sicht war die Neutorstraße ein Ort unter vielen, geprüft auf verkehrsrechtliche Machbarkeit und geeignet für eine temporäre Umwidmung.
Beide Seiten betonen und wünschen sich gleichwohl die Übertragbarkeit des Formats auf andere Stadtteile, auch wenn auch da der Fokus verschieden gesetzt wird. Die Stadt verweist als Voraussetzungen für eine temporäre Umsetzung auf konkrete Kriterien wie geringe Verkehrsbelastung, keine Buslinien und keine größeren Baustellen. Die Initiative hingegen betont, dass im Grunde jede Straße zur Sommerstraße werden kann, wenn es das nachbarschaftliche Engagement gibt. Was daher bislang fehle, sei ein klarer städtischer Plan, welche Straßen langfristig als verkehrsberuhigte Grünachsen entwickelt werden könnten – obwohl genau das im Masterplan „100 Prozent Klimaschutz“ von 2022 als Sofortmaßnahme benannt wurde.
Auch bei der Frage der Bekanntmachung und Beteiligung tun sich Differenzen auf: Die Stadt setzt auf eine dezentrale Organisation und überlässt es den Initiativen vor Ort, ob sie ihre Sommerstraßen öffentlich bewerben. Eine zentrale Übersicht gibt es nicht. Die BI sieht darin ein Versäumnis. Die Verwaltung mache zu wenig, um das Format aktiv zu kommunizieren. Stärkere Unterstützung in Form von Informationsmaterial, Plakaten und Social-Media-Kampagnen wäre aus deren Sicht wünschenswert. MainzZero würde sich hier gerne einbringen.
Auch bei der Einbindung der Anwohnerschaft gibt es Verbesserungsbedarf. Während die Stadt diese Verantwortung ebenfalls an die Orga-Teams delegiert, räumt die BI ein, dass in der Neutorstraße nicht alle Anwohner erreicht werden konnten. Künftig wolle man früher und breiter informieren.
Schließlich betont die Stadt bei der Frage, inwieweit die Erfahrungen aus den Sommerstraßen in die städtische Planung einfließen, dass Feedback grundsätzlich willkommen sei und in die Weiterentwicklung von Leitlinien einfließe. Hingegen beklagt MainzZero, dass keine systematische Auswertung oder Rückkopplung in Planungsprozesse stattfinde. Auch mit Blick auf den „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ fehle bislang eine sichtbare Integration des Formats. Abhilfe könnten die Verankerung in konkreten Maßnahmen und regelmäßige Berichterstattung über den Fortschritt schaffen.
Der gemeinsame Nenner scheint zu sein, neue Perspektiven im Blick auf den öffentlichen Raum zu testen. Eine zentrale Liste mit allen Sommerstraßen existiert laut der Stadtverwaltung allerdings nicht; jede Initiative wählt ihre eigene Sichtbarkeit. Bisher wurden bis Mitte 2025 fünf Aktionen umgesetzt, 2024 waren es acht, im Startjahr 2023 drei. MainzZero will daher weiter Druck machen, während die Stadt prüft, begleitet und Raum zur Entfaltung lässt. Offen bleibt somit die Frage, wie aus dem Projekt „Meenzer Sommerstraße“ ein langfristiger Impuls für nachhaltige Stadtentwicklung werden kann.