
HECHTSHEIM – Seit vergangener Woche hat das Corona-Virus die Welt im Griff, nichts ist mehr, wie es war. Die Schulen sind geschlossen, viele Menschen arbeiten im Homeoffice, soziale Kontakte sind auf ein Minimum eingeschränkt. In den Nachrichten sehen und hören wir jeden Tag, was in China, Italien und den anderen stark betroffenen Ländern passiert. Wir aber wollen wissen, wie es in den Gemeinden unseres Verbreitungsgebietes aussieht und haben hierfür die Bürgermeister, Verbandsgemeindevorsteher und Ortsvorsteher befragt – unter anderem Tatiana Herda Muñoz, die seit Juni 2019 für Mainz-Hechtsheim zuständig ist.
Journal LOKAL: Frau Muñoz, wie ist die Stimmung in Ihrem Stadtteil seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie?
Tatiana Herda Muñoz: Seit dem ersten Corona-Fall in einer Hechtsheimer Apotheke Mitte März war mir klar, dass die sowieso schon angespannte Stimmung im Ort in Unsicherheit umkippen wird. Deshalb war es mir sehr wichtig, schnell zu reagieren und den Bewohnern im Ort ein bisschen Sicherheit zurückzugeben.
JL: Welche Maßnahmen haben Sie in Hechtsheim ergriffen, um die Ansteckungsgefahr zu reduzieren?
Tatiana Herda Muñoz: Ich habe schon Anfang März angefangen, im Ort Schilder mit Hygiene- und Sicherheitshinweisen aufzuhängen, z.B. zum Thema richtiges Händewaschen. Mir war klar, dass die Maßnahmen auf eine Ausgangssperre bzw. – wie es jetzt der Fall ist – ein Kontaktverbot hinauslaufen würde.
JL: Gibt es kreative Lösungen zur Krisenbewältigung oder spontane Hilfsaktionen?
Tatiana Herda Muñoz: Wir haben im Ort verschiedene Hilfsaktionen gestartet. Phase 1 konzentrierte sich darauf, eine funktionierende Infrastruktur aufzubauen, damit die Leute im Ort zuhause bleiben können und trotzdem versorgt werden. Eine der neugegründeten Initiativen ist „Hechtsheim hilft“. Hierfür habe ich 13 WhatsApp-Gruppen eingerichtet, in der ich mit den Helfern gemeinsam strategisch zwischen Hilfesuchenden und Helfern vermittle. Auf der Seite www.wir-sind-hechtsheim.de können sich Hilfesuchende melden. Es geht nicht nur ums Einkaufen, wir vermitteln auch bei der Kinderbetreuung und anderen Problemen. Insgesamt 90 Helfer konnten wir für unsere Aktion gewinnen. Damit wir auch die erreichen, die nicht digital unterwegs sind, haben wir 8000 Flyer drucken lassen und flächendeckend in ganz Hechtsheim an alle Haushalte verteilt. Auf dem Flyer stehen meine private Handynummer und Mailadresse, weil ich hoffe, dass die Hemmschwelle niedriger sein würde, wenn die Betroffenen sich an mich direkt wenden können statt an Fremde. Das hat funktioniert: Es kommen täglich Anrufe von Menschen, die Hilfe benötigen.
JL: Wie gehen die Hechtsheimer Unternehmen mit der Krise um?
Tatiana Herda Muñoz: Um dem Einzelhandel und den Selbständigen zu helfen, haben wir Phase 2 der Hilfsaktion gestartet. Ich hatte großes Glück: Eine Webdesignerin hat mich kontaktiert und mir geholfen, in kürzester Zeit einen Web-Shop für die Hechtsheimer Geschäfte und Restaurants zu erstellen. Auf der Seite www.kaufvorort-hechtsheim.de können die Unternehmen Ware und Gutscheine anbieten. Die Kunden unterstützen mit ihrem Kauf die lokalen Händler.
JL: Wie sorgen Sie für das seelische Wohl Ihrer Mitbürger?
Tatiana Herda Muñoz: Dafür sorgt Phase 3 der Hilfsaktion – die seelische Gesundheit in den eigenen vier Räumen muss auch erhalten bleiben. Dazu gehören Sport und Kultur. Wir sind mit den Fitness-Studios „Sportraum“ und „50 Grad Nord CrossFit Box“ in Kontakt und wollen Mobilisierungsvideos bereitstellen, damit die Menschen auch zuhause trainieren können. Im Kulturbereich haben wir in Kooperation mit dem Buchladen Ruthmann die Vorlese-Aktion „Lesen gegen Langeweile“ für Kinder gestartet, die auch schon vom SWR und dem ZDF gezeigt wurde. Leider dürfen wir wegen des Kontaktverbots nicht mehr im Buchladen drehen und müssen jetzt erstmal schauen, wie wir die Aktion in Privaträumen mit dem erforderlichen technischen Equipment fortsetzen können. Geplant ist, dass jeden Tag ein anderer Vorleser eine Geschichte vorliest.
JL: Wie ist die Akzeptanz bei den Hechtsheimer Mitbürgern?
Tatiana Herda Muñoz: Die Menschen sind total froh, dass sie nicht allein gelassen werden, wir bekommen jeden Tag Dankes-Nachrichten. Ich denke, dadurch, dass mein Team und ich so schnell reagiert haben und so strukturiert vorgehen, konnten wir den Leuten die Unsicherheit nehmen; sie wissen jetzt, dass für sie gesorgt wird. Und die Krise hat einen positiven Nebeneffekt: Hechtsheim geht digital. Wir sind jetzt besser vernetzt als je zuvor.
JL: Vielen Dank für das Interview! Das Journal LOKAL wünscht Ihnen und Ihrem Team alles Gute und vor allem, dass Sie gesund bleiben!
Infos zu den einzelnen Hilfsangeboten erhalten Sie unter www.wir-sind-hechtsheim.de, per Mail unter tatiana.herdamunoz@gemeinsam-hechtsheim.de oder telefonisch unter 0176 61504499.
Das Interview führte Natacha Olbrich