FLÖRSHEIM – „Lasst euch auf keinen Fall provozieren! Im Zweifel helfen euch die zahlreichen motorisierten Polizisten“. Diesen beruhigenden Hinweis bekamen die rund 50 radfahrenden Ordnerinnen und Ordner am vergangenen Samstag gegen 20 Uhr im Innenhof des Frankfurter Römers. Einer davon war ich. Vorausgegangen war eine ausführliche Belehrung über das, was uns in den nächsten zwei bis drei Stunden erwarteten könnte und wie wir uns dann verhalten sollten.
Ich hatte zwar schon mehrfach an der „bike-night“ in Frankfurt teilgenommen, allerdings nur als ‚normaler‘ Teilnehmer. Diesmal war ich der Bitte des Veranstalters, dem „ Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Deutschland“ (ADFC), gefolgt und hatte mich als freiwilliger Ord-ner gemeldet. Meine Anspannung stieg, als ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen mein Rad zum Start, dem ‚Eisernen Steg‘ schob. Mehrere Redner/innen machten dort deutlich, dass die jahrzehntelange Verkehrspolitik einer ‚autogerechten‘ Stadt zu irrsinnigen Verhältnissen geführt hat. Die Planungen von Autobahnen mitten im Stadtgebiet (Riederwald) oder der Ausbau der A 5 auf zehn Fahrspuren zeigen, dass viele Entscheidungsträger den Ernst der Lage und die Notwendigkeit einer echten Verkehrswende und einer menschengerechten Stadt immer noch nicht verstanden haben.
Mehr Platz für‘s Rad – nicht nur heut‘ Nacht
Unter dem Motto „Mehr Platz für‘s Rad – nicht nur heut‘ Nacht“ setzte sich ein bunter Lindwurm gegen 20:30 Uhr in Bewegung: Hollandräder, Tandems, Liege-, Lasten-, Renn- und Falträder, Pedelecs, Mountainbikes, Fixies und andere, mehr oder weniger ungewöhnliche Fahrzeuge folgten den auf Motorrädern und Blaulicht vorausfahrenden Polizisten.
Über den Willi-Brandt-Platz, dem Eschenheimer Tor, die Eschersheimer Landstraße, Friedberger Warte ging es – man höre und staune – auf die Autobahn A 661!! Die verließen wir am Kaiserleikreisel, also auf Offenbacher Gebiet. Über die ‚Flößerbrücke‘ fahrend erreichen wir wieder das rechte Mainufer und unser Ziel, den ‚Eisernen Steg‘.
Ganz legal: Mit dem Rad über rote Ampeln und auf der Autobahn
Für mich war auch diese Fahrt wieder ein tiefgreifendes Erlebnis. Begleitet von motorisierten Ordnungshütern wiederholt rote Ampeln zu überfahren oder – vor Jahren noch unvorstellbar – mit dem Rad die Autobahn völlig legal zu benutzen, das hat man nicht jeden Tag. Ach so: Wir Ordner mussten ganz vorne hinter den ersten Polizeimotorrädern fahren. Diese sperrten an Kreuzungen den Seitenverkehr ab und fuhren dann zur nächsten Kreuzung. Wir übernahmen dann diese Absperrung, bis der Demo-Zug vorbei war und der letzte Polizist am Zugende uns das vereinbarte Zeichen gab. Dann hieß es für uns, so schnell wie möglich den gesamten Zug auf der linken Seite zu überholen, die Zugspitze zu erreichen und uns dort für den nächsten Einsatz bereit zu halten.
Wetterprognose sorgt für geringere Teilnehmerzahl
Obwohl das nicht vereinbart war überholte ich kurz vor der Flößerbrücke den gesamten Zug. Mein Ziel: Die Teilnehmer/innen zu zählen. Das mache ich recht häufig und habe dadurch reichlich Erfahrung. Ich kam auf insgesamt 561 Fahrräder (ohne Polizei). Das war sehr wenig. Bei früheren ‚bike-nights‘ gab es auch schon fast 3 000 Teilnehmer. Wegen der prognostizierten Regenwahrscheinlichkeit von 90% waren in diesem Jahr sicher viele zu Hause geblieben. Für alle, die trotzdem dabei waren, war es auch diesmal eine wertvolle Bereicherung.
Bernd Zürn