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„Das Herz des Deutschen Weins schlägt in Bodenheim“ Steffen Schindler vom Deutschen Weininstitut im Gespräch

Steffen Schindler, hier in der Mainzer Altstadt, ist seit mehr als 30 Jahren beim DWI beschäftig. Foto: privat

BODENHEIM – Unscheinbar und versteckt im Gewerbegebiet von Bodenheim liegt seit rund zehn Jahren die wohl wichtigste Institution in Sachen „Deutscher Wein“: das Deutsche Weininstitut, kurz: DWI. Im letzten Jahr konnte das DWI mit inzwischen rund 40 Mitarbeitenden unter der Leitung von Monika Reule auf 75 erfolgreiche Jahre zurückblicken. Anlass genug für Journal LOKAL, einen Blick hinter die Kulissen dieses regionalen Arbeitgebers zu werfen. Welche Rolle spielt das DWI eigentlich genau in der Welt der Weine? Antworten auf diese Frage – und viele weitere – gibt uns DWI-Marketingleiter Steffen Schindler.

Direkt nach dem Lehramtsstudium in Mainz entschloss sich Schindler, doch lieber kein Lehrer zu werden. Stattdessen bewarb er sich beim Deutschen Weininstitut. Inzwischen arbeitet er hier seit 31 Jahren und hat diese Entscheidung nach eigener Aussage keine einzige Sekunde lang bereut. Schindler lebt in Undenheim, ist verheiratet mit der Lothringerin Brigitte – Sängerin der bekannten Chanson-Gruppe „Rouge Baiser“ – und Vater von drei erwachsenen Kindern. „Da die alle aus dem Haus sind, können meine Frau und ich uns endlich dem Reisen, unserem großen gemeinsamen Hobby widmen“. verrät Schindler im Interview.

Journal: Herr Schindler, welche sind die Hauptaufgaben des DWI und welche Rolle spielen Sie persönlich dabei?

Schindler: Unsere Kernaufgabe ist es, den Absatz von Weinen aus den 13 deutschen Anbaugebieten mit Marketingmaßnahmen im In- und Ausland zu fördern. Dazu gehören Pressearbeit, Broschüren, Podcasts, Werbematerialien genauso wie Info-Kampagnen mit entsprechenden Veranstaltungen. Wichtige „Tummelplätze“ sind nationale und internationale Messen, wie „ProWein“ in Düsseldorf oder „Wine Paris“ in Frankreich.

Auch die Organisation von Weinpräsentationen mit deutschen Erzeugern auf der ganzen Welt ist bei uns angesiedelt. Wir sind außerdem derzeit auf elf internationalen Märkten mit Informationsagenturen aktiv. Ein wichtiges Standbein des DWI ist natürlich die Schulungs- und Seminararbeit, insbesondere für Gastronomie und Handel, aber auch für private Weingenießer. Das alles gehört zu meinem persönlichen Aufgabengebiet, ich bin viel unterwegs im In- und Ausland. Es wird mir keine Sekunde langweilig. Und es gibt persönliche Highlights …

Steffen Schindler (2.v.l.) auf einer Aufnahme aus der Vorentscheidung der Wahl zur Deutschen Weinkönigin 2024 in Neustadt mit Holger Wienpahl vom SWR (li.). Foto: privat

Journal: … wie zum Beispiel die Wahl der Deutschen Weinkönigin, die das DWI jährlich ausrichtet?

Schindler: Unbedingt. Und es heißt „Deutsche Weinmajestät“ ab diesem Jahr, wir haben in zwei Anbaugebieten männliche Bewerber auf die Krone, bzw. die Amtskette. Die Planung und Durchführung der Wahl ist eine meiner Lieblingsaufgaben und ich bin jetzt schon ziemlich beschäftigt damit. Ein weiteres Herzensprojekt habe ich schon 2006 ins Leben gerufen: Die „Generation Riesling“, mit mehr als 540 Mitgliedern die größte Jung-Winzerorganisation der Welt. „Jung“ sind die Winzerinnen und Winzer bis 35. Und natürlich kommen neben dem Riesling auch andere Rebsorten vor. „Generation Riesling“ lässt sich halt in allen Sprachen leicht aussprechen.

Durch die Arbeit mit den jungen Winzern wollen wir das immer noch etwas behäbige Image des Deutschen Weins positiv verändern. Wir wollen den Deutschen Wein als jung, dynamisch, modern präsentieren, damit auch nachfolgende Generationen dieses Produkt zu schätzen wissen. Dazu arbeite ich aktuell an einem Projekt mit der Fachhochschule für Design in Wiesbaden zusammen. Ende Januar präsentieren die Studierenden ihre innovativen Design-Entwürfe für junge Winzer, ein weiterer Baustein zum nachhaltigen Imagewandel.

Deutschland hat die weltweite Geschmacksveränderung sowie das Angebot der „Neue-Welt-Weine“ in den 80er und 90er Jahren komplett verschlafen. Wir hatten seinerzeit ein völlig veraltetes und falsches Portfolio, das Image deutscher Weine ändert sich jetzt erst langsam, weg von schwer und süß hin zu trocken, leicht, modern und bester Qualität. Auch darum organisieren wir häufig Deutschlandreisen mit ausländischen Gästen durch alle Anbaugebiete, um unseren tollen Querschnitt an Weinen, Winzerinnen und Winzern zu zeigen. Sogar mit dem französischen Sternekoch Paul Bocuse und zwei seiner Kollegen war ich unterwegs und konnte ihnen mit Erfolg die tollen Weine der Region Mosel-Nahe-Rheingau präsentieren.

Journal: Die Tendenz scheint bei der Jugend eher weg vom Alkohol zu gehen. Wie sind Ihre Erfahrungen damit? Und wie wirkt sich grundsätzlich der Klimawandel auf die deutschen Weine aus? Welche Rebsorten und Produkte werden auch in Zukunft eine reelle Chance haben?

Schindler: Die beliebten Rebsorten kommen und gehen in Wellen, nach meiner Erfahrung. Der Rotweinkonsum geht seit circa 2010 weltweit kontinuierlich zurück. Zu den veränderten Essensgewohnheiten – weniger Fleisch und schwere Kost, mehr Gemüse und leichte Gerichte – passt der schwere Rotwein nicht mehr. Gewinner sind weiße Sorten und Rosé sowie prickelnde Sekte. Bei uns ist der Riesling der internationale Überflieger, dicht gefolgt vom Grau- und Weißburgunder. Und die Aromasorten sind groß im Kommen: Kerner, Muskateller, Scheurebe in bester Qualität gehören aktuell zu den Lieblingen. In Sachen Klimawandel punkten jetzt auch die so genannten Piwi(Pilz resistente)-Sorten, die manche Winzer vermehrt ausbauen. Bei den Roten zeigen sich der Spätburgunder und der Lemberger stabil im Absatz. Glücklicherweise kommen die Weinstöcke in Deutschland mit dem Wetter bisher im Großen und Ganzen eher gut zurecht.

Aber die Spreu wird sich vom Weizen trennen: Es überlebt, wer sich am besten an die veränderten Bedingungen anpasst. Dazu werden wohl reine Familienbetriebe bis zu zehn Hektar Rebfläche gehören oder große Betriebe bis zu 20 Hektar. Der Weinbau konzentriert sich in Europa auf weniger und größere Weingüter, die hohe Ansprüche an ihre Produkte stellen. Die Weine werden teurer, aber qualitativ immer besser. Und auch die alkoholfreien Varianten sind geschmacklich inzwischen auf einem guten Weg. Es gibt tolle deutsche Sekte ohne Alkohol.

Steffen Schindler (rechts) ist seit 20 Jahren der Weinexperte von “Volle Kanne” im ZDF. Foto: privat

Journal: Sie sind (inter)nationaler Netzwerker, treffen Politiker, Künstler, Köchinnen, Sportlerinnen und agieren außerdem seit 20 Jahren als Gesicht des Deutschen Weins im ZDF bei „Volle Kanne“. Neben ihrer Aufgabe beim DWI sind sie vielen Menschen in der Region auch als „Quizmaster“ bekannt, der für verschiedene VHS sowie Kultur- und Weinbotschafter Quizabende veranstaltet. Es soll ganze Fan-Gruppen geben, die Ihnen von Ort zu Ort folgen. Stimmt das?

Schindler: Es stimmt. Quizabende, der Kontakt mit Menschen, Reisen, Kommunikation und Wein sind meine großen Hobbys. Gut, dass ich kein Lehrer geworden bin. Und mein Anfang bei „Volle Kanne“ war auch eher peinlich: Ich sollte den Zuschauern zeigen, wie man Sektflaschen einfach und sicher öffnet. Kein Problem, dachte ich, ließ die Flasche kurzerhand „explodieren“ und duschte die Anwesenden umfassend mit dem feinen Inhalt. Leider war der zweite Versuch ebenso wenig von Erfolg gekrönt. Als „Experte“ sah ich mich nach diesem Auftritt eher nicht.

Journal: Wir bedanken uns für das Gespräch und die profunden Einblicke in die Geheimnisse des Deutschen Weins.

Das Gespräch führte Sabine Longerich

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Nach mehr als 25 Jahren Berufserfahrung im Bereich der Kommunikations-, Redaktions- und Pressearbeit und mehr als 30 Jahren Autorentätigkeit bin ich seit April 2024 für das JOURNAL LOKAL unterwegs. Da ich - gut vernetzt in der gesamten VG Bodenheim - mitten im alten Ortskern von Bodenheim wohne weiß ich, über welche Neuigkeiten und Projekte man unbedingt berichten sollte. Mein besonderes Interesse gilt dem sozialen Miteinander, kulturellen und sportlichen Veranstaltungen sowie der Orts- und VG-Politik. Journalistische Ausflüge führen mich u. a. auch nach Laubenheim, in die VG Rhein-Selz und an andere schöne Orte.