FLÖRSHEIM – Störche brüten gerne auf Hochspannungsmasten
Hungrig und müde, aber innerlich glücklich kommt Bernd Zürn von seiner Radtour zurück. Das 82-jährige Mitglied des Flörsheimer BUND war am vergangenen Samstag gut zehn Stunden unterwegs zu ‚seinen‘ Störchen. Die fast 50 Kilometer lange Fahrt führte ihn in den westlichen Teil des MTK und den Ostrand von Wiesbaden.
In den Gemarkungen Wicker, Massenheim, Delkenheim, Hochheim, Kastell, Diedenbergen, Wallau und Nordenstadt nahm er 29 Storchennester (‚Horste‘) ins Visier. Die meisten davon befinden sich auf Hochspannungsmasten. Auch Fachleute haben keine überzeugende Begründung für dieses – aus menschlicher Sicht fast selbstmörderische – Verhalten der Tiere. Durch Stromschläge und Kollisionen mit den Stromleitungen sterben jedes Jahr Störche, auch ältere und erfahrene. Die Betreiber der Hochspannungsleitungen versuchen, den Bau von Nestern auf ihren Masten zu verhindern. Die dabei verwendeten ‚Vergrämungs‘-Maßnahmen sind vielfältig, aber nur teilweise erfolgreich.
Störche nehmen Holzmasten kaum an
Nicht, dass es keine Alternativen gäbe: Mit Hilfe des BUND Flörsheim und anderer Organisationen wurden in den letzten zwanzig Jahren in unserer Region 16 Holzmasten mit Storchennestern aufgestellt. Nur sieben von ihnen werden in diesem Jahr genutzt. Im Jahre 2000 stellten die Flörsheimer BUND‘ler erstmals fünf Holzmasten mit selbstgebautem Nest an der Spitze auf. Heute steht keiner mehr von ihnen. „Nach 12 bis 15 Jahren“, so Bernd Zürn, „ müssen wir sie entfernen. Aus Sicherheitsgründen. Bei einem starken Sturm könnten sie, unter Umständen mitsamt der Brut, umgerissen werden. Die Nester auf der Mastspitze können mehrere Zentner schwer werden“. Von diesen fünf alten Bruthilfen waren drei eine Fehlinvestition: Sie wurden nie von Störchen genutzt.
Mit Hilfe eines auf einem Stativ fest montierten Fernglases, einem sogenannten Spektiv, beobachtet Zürn die Störche. Aus ihrem Verhalten kann er mit ziemlicher Sicherheit schließen, ob sie brüten. Bei insgesamt 18 Nestern war er sich diesmal recht sicher. Was wirklich dabei herauskommt zeigt sich erst in rund zwei Monaten. Dann stehen die Jungtiere im Nest und können eindeutig gezählt werden.
Manche Paare brechen die Brut ab. Insbesondere die Störche, die zum ersten Mal brüten. Dazu kommen Verluste, weil Eier nicht ausgebrütet werden oder Junge – nämlich die Schwächsten – bei Futtermangel verhungern oder von den Eltern aus dem Nest geworfen werden. Dennoch, da ist sich Zürn sicher, wird das Ergebnis des Vorjahres, nämlich 17 Jungstörche, diesmal deutlich übertroffen werden. Einen Teil von ihnen werden die BUND‘ler auch in diesem Jahr wieder beringen lassen. Voraussetzung: Der amtliche Beringer kommt und bringt die – immer viel zu wenigen – Ringe der Vogelwarte Helgoland mit.
Bernd Zürn