BODENHEIM – „Wir sind die Mehrheit – Ihr seid nicht das Volk!“ Das war eine der Kernaussagen aller Rednerinnen und Redner. Aber auch der Aufruf: „Lasst Euch impfen“, verhallte nicht. Viele Emotionen machten sich breit.
Seit Dezember 2021 geht ein Grüppchen von Impfgegnern der Corona-Leugnern bei ihrem „Montags-Spaziergang“ durch Bodenheim. Schnell sprach sich dieses herum und einige Bodenheimer schauten skeptisch auf dieses Grüppchen. Sven Hieronymus bezog in den sozialen Medien deutlich Stellung gegen die Spaziergänger – und wurde sofort mit Drohungen überhäuft.
Schnell war klar: Das kann man so nicht stehen lassen, Bodenheim gehört nicht in die Hand von Impfgegnern und Corona-Leugnern.
Die Bürgermeister der fünf Ortgemeinden und sowie die VG schlossen sich dem friedlichen Aufruf mit einem Zeichen an: Es brennen Kerzen zu Ehren der Opfer der Pandemie in den Fenstern der VG Verwaltung.
Bürgerinnen und Bürger organisierten eine Gegenveranstaltung – im Freien, im Dolles Park – und es kamen fast 300 Menschen, laut Schätzung der Polizei, um Solidarität zu zeigen und deutlich zu machen: Wir lassen uns nicht vereinnahmen lassen. Zeitgleich zogen die Montags-Spazierer durch Bodenheim. Es waren knapp 30 Personen, ebenfalls laut Polizei.
Sven Hieronymus eröffnete den Rednerreigen: „Wir sind nicht nur heute mehr Menschen. Wir sind es immer. In meinem Post vor ein paar Tagen habe ich über „Montagsspinner“ gesprochen, dafür entschuldige ich mich. Aber ich bestehe auf meine und unsere freie Meinungsäußerung, denn wir leben in einer Demokratie und nicht in einer Diktatur.“
Er sieht in diesen „Spaziergängern und Impfgegnern“ den Versuch, den „Rechtsstaat abzuschaffen zu Gunsten von Rassismus, Faschismus und Antisemitismus.“
Foto: Wolf-Ingo Heers
Sven Hieronymus war selbst mit Corona infiziert, genesen und hat sich impfen lassen. „Ja, ich habe massive persönliche Angriffe und Diffamierungen erlebt und will auch nur, dass dieser Drecksvirus endlich verschwindet.“
Abschließend dankte auch er wie viele andere nach ihm den Ärzten, dem Pflegepersonal, die seit Monaten über ihre Grenzen hinaus arbeiten, aber auch der Polizei. Und er zitiert den Artikel 1 des Grundgesetztes und bekommt anhaltenden Beifall.
Heidi Veit Gönner stellt fest, dass das „rechte Pack“ sich bisher still verhielt. „Die haben einfach keine Ideen gegen den Corona-Virus und zu notwendigen Maßnahmen. Die rechten Stiche wirken. Aber wir lassen uns durch die nicht unser Leben nehmen.“
SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Anklam-Trapp forderte, dass „wir alle für unsere Mitbürger Verantwortung übernehmen und uns impfen lassen.“ Rechtlich sind die Montagsdemos als Spaziergänge eine nicht angemeldete Demonstration. „Die Spaziergänger nutzen unsere Grund- und Freiheitsrechte, um ihre Ideologie zu verbreiten. Hetz und Hass sind ihr Antrieb. Ihre Drohungen gegen Amtsträger aber auch impfenden Ärzten und aktuell gegen Sven Hieronymus sind unerträglich.“
Für den aus Leipzig stammenden Sven Werner ist Bodenheim zur Heimat geworden. „Ich habe als 16-Jähriger die Wende und die Demonstrationen erlebt. Da stimmte es: Wir sind das Volk! Die Spaziergänger sind auf gar keinen Fall heute das Volk.“
Nach einer intensiven Ansicht der Sozial-Media Einträge, musste er feststellen: „Das sind keine Freiheitskämpfer, das sind verfassungsfeindliche Gruppieren, die radikalisieren wollen. Aber hier ist meine Mahnung: Wir sind mehr.“
Michele Glück, eine der Bodenheimer SPD-Doppelspitze, ist stolz auf Bodenheim. Sie fordert, dass man nicht mit Corona-Leugnern, Faschisten, Rechtsradikale und Nazis mitläuft. In Bodenheim ist kein Platz für Hetze, Lügen und rechtes Gedankengut.
Sven Hieronymus Kollege Lars Reichow schloss den Reigen der Redner ab. Seine Art, das schwere und emotionale Thema auf eine doch eher humoristische aber dennoch ernstnehmende Ebene zu heben, gelang ihm sehr gut. Den Holocaust und Anne Frank mit dem Corona-Virus und den daraus resultierenden Maßnahmen gleich zu setzen, seit unmenschlich und nicht zu ertragen. Er rief dazu auf, dass Demokratie ein Kompromiss aller Meinungen ist. Aber die Leugner keinen Kompromiss zulassen. Wer das verachtet, stelle sich gegen die Bevölkerung.
Lars Reichow forderte auf, dass alle den gleichen Zugang zu Informationen bekommen und hofft, dass die Schwachstellen auf der deutschen Landkarte dann endlich wieder zurück finden in den demokratischen Schoß.
Wolf-Ingo Heers
