KRIFTEL – Eine Fahrt mit dem Hubsteiger in luftige Höhe – das war lange Zeit ein Herzenswunsch von Gemeindefotograf Gerhard Jaeger. Von der Gemeinde Kriftel hatte er dann auch zum 85sten Geburtstag einen Gutschein für eine Hubsteigerfahrt geschenkt bekommen, einzulösen bei der örtlichen Firma Bechstein. Doch wie so oft bei Gutscheinen, verzögern der Alltag und Verpflichtungen eine Einlösung oft. Manchmal geht diese sogar ganz vergessen. Im Falle Jaegers konnte das verhindert werden: Vergangene Woche ging der Wunsch Jaegers endlich in Erfüllung. Aus luftiger Höhe lichtete er das ehemalige Ziegeleigelände ab und komplettierte damit seine „Aufzeichnungen“.
Auch wenn der heute 88-Jährige mit dem Laufen mittlerweile Schwierigkeiten hat: Vom Rollator in den Hubsteiger-Korb gelang es mit ein bisschen Hilfe. In 18 Metern Höhe war Jaeger dann aber völlig sicher und in seinem Element. Wichtig war ihm dieser luftige Fototermin, weil es sein persönliches Ziel und Anliegen ist, die Geschichte und die Entwicklung Kriftels fotografisch für die Nachwelt festzuhalten. „Ich habe die Umwandlung des ehemaligen Ziegeleigeländes in ein Baugebiet von Beginn an mit der Kamera begleitet. Für meine Vorher-Nachher-Bilder fehlte mir noch ein abschließender Schuss“, so Jaeger glücklich.
Jaegers Bilder sind ein wahrer Schatz
Den Fototermin kurzerhand organisiert hat der Vorsitzende des Krifteler Karneval Klubs (KKK) Daniel Weiß. Der war bei Jaeger, um sich alte Bilder von Kriftel anzuschauen. „Als Krifteler Bub interessiert mich, wie Kriftel früher aussah. Die Bilder von Gerhard Jaeger sind ein Schatz, einmalig und beeindruckend“, so Weiß. Beim Stöbern im heimischen Archiv des Hobbyfotografen habe Jaeger ihm von seinem ausstehenden Herzenswunsch erzählt. „Er erzählte mir, dass ihm noch einige wenige Ecken Kriftels in seiner Fotosammlung fehlen. Gerade am Ziegeleipark habe er noch dokumentarische Pflichten zu erfüllen. Ich habe mich direkt ans Telefon gesetzt und Frank Bechstein angerufen“, so Weiß. Der sorgte nun, nach der Rückkehr aus dem Urlaub, umgehend für die Realisierung des Geburtstagswunsches.
„Was an moderner Ortsentwicklung, an Gesellschaftlichem, an Vereinsaktivitäten in Kriftel entstanden ist und stattgefunden hat – das ist von Gerhard Jaeger seit über 30 Jahren fotografiert, dokumentiert und zu einem wertvollen Archiv für die Gemeinde Kriftel geworden“, betont Bürgermeister Christian Seitz, der sich über die Einlösung des Gutscheines freute. „Was er für Kriftel geleistet hat, dass ist von unschätzbarem Wert“, so Seitz. Jaegers Gesamtwerk könne wohl erst die nächste Generation so richtig ermessen.
Seit vielen Jahren hält Jaeger, der dem Foto- und Filmclub Kriftel angehört, mit seinem Fotoapparat besondere Ereignisse in Kriftel in Bildern fest. Ihn hat dabei aber immer auch interessiert, wie die Gemeinde sich in den vergangenen Jahren verändert hat und wie sie sich entwickelt. Eine dokumentarisch wichtige, wertvolle uneigennützige Tätigkeit, die aus Ostpreußen stammende Krifteler mit stets mit Ernsthaftigkeit und Leidenschaft ausgeübt hat. Gerhard Jaeger engagiert sich darüber hinaus schon lange im Partnerschaftsverein für die Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Airaines, beteiligt sich unter anderem an Ausstellungen und Vorträgen mit fotografischem Hintergrund und er hat seit über 50 Jahren auch fast alle Veranstaltungen des Gesangverein Liederkranz mit seinem Fotoapparat begleitet.
Finden der genauen Position
Dass es am Freitag vor einer Woche ein wenig grau und regnerisch war und die Fahrt immerhin erst auf 18 Metern endete – für den 88-Jährigen kein Problem. Er hat diese Erfahrung schon öfter gemacht. 15 Minuten lang stand er diesmal im Korb, wie ein Profi mit Kamera und Objektiven hantierend. Keine Kompromisse machte er zuvor allerdings beim Finden des richtigen Standortes für den Hubsteiger. „Er hat dem Fahrer den genauen Standort beschrieben, weil er genau dieselbe Position einnehmen wollte, wie vor Jahren“, erzählt Daniel Weiß, der bei der Einlösung des Geschenkes mit vor Ort war. „Das hat dann schon etwas gedauert, bis der gefunden war“, sagt er und lacht. „Jetzt sind meine Aufzeichnungen komplett“, freute sich Jaeger.
Er ist 1932 in Ostpreußen an den Masurischen Seen geboren worden. Er erlebte die Vertreibung, sein in französischer Kriegsgefangenschaft ausharrender Vater bat die Familie, zu ihm nach Südfrankreich zu kommen. Das tat sie und arbeitete dort im Weingut mit. In Südfrankreich begann er auch zu fotografieren. 26-jährig kam er in die junge BRD, seit 1958 lebt er in Kriftel.
Tina Schehler