Bis auf den letzten Platz besetzt war die Laubenheimer Pfarrkirche Mariae Heimsuchung, als am letzten Sonntag des Kirchenjahres, dem 24. November, das knapp zweistündige Jahreskonzert des Kirchenchors „Cäcilia 1936“ zusammen mit dem Kammerensemble Laubenheim (KAMEL) erklang. Unter dem Halbsatz der Schöpfungsgeschichte „Und es wurde Abend“ (1. Mos. 1:13) hatten die Verantwortlichen anspruchsvolle Werke aus der Romantik und der Moderne zusammengestellt und mit den Ensembles erarbeitet.
„Im Unterschied zu den vergangenen Jahren haben wir das Programm dieses Mal nicht um ein Zentralwerk gruppiert, sondern uns für eine Anzahl kleinerer, teilweise serenadenähnlicher Musikstücke zur anglikanischen Liturgie sowie zur katholischen Theologie entschieden“, begründet Chorleiter Tobias Keil die Entscheidung. Unter dem Mantel des Bibelzitats vereinte der erste Konzertteil religiöse und weltliche Werke von Spanien bis Norwegen. Der zweite Teil widmete sich dem Evensong, dem Abendlob der anglikanischen Kirche mit einer Tradition, die bis ins Jahr 1600 zurückreicht.
Im ersten Block wechselten sich instrumentale Darbietungen mit Chorwerken ab. Schon bei der eröffnenden Romanze für Streichorchester von Sergej Rachmaninoff war offensichtlich, dass das 15-köpfige KAMEL aus Musikerinnen und Musikern besteht, die Erfahrungen aus dem Landes- und Bundesjugendorchester mitbringen und in Wettbewerben erfolgreich waren. Dieser Eindruck setzte sich bei Jean Sibelius` Andante festivo und dem anschließenden Valse triste fort. Das Ensemble, souverän geführt durch den Dirigenten Johannes Christ, bewältigte alle Schwierigkeiten scheinbar mühelos.
Nicht anders der Chor, der seit 2016 unter der engagierten Leitung des Kirchenmusikers und Organisten Tobias Keil steht. Wie schon in früheren Konzerten hatte Keil den Stammchor, den Katholischen Kirchenchor „Cäcilia 1936“ um einen Projektchor erweitert, in dem jede/r Interessierte ab Sommer 2019 mitproben konnte. Dabei bereicherten vor allem viele junge Stimmen den Gesamtklang des Chors. Nach Felix Mendelssohn Bartholdys Verleih uns Frieden gnädiglich kam dies besonders zur Geltung bei Gabriel Faures Cantique de Jean Racine oder den Northern Lights des in New York lebenden Norwegers Ola Gjeilo. Am Schluss des ersten Teils erklang O magnum mysterium des spanischen Komponisten Javier Busto. Das Werk beginnt mit bis zu achtstimmigen geflüsterten Tonflächen und endet im fulminanten Fortissimo. Gekonnt führte Keil den Chor, der unmittelbar auf dessen musikalische Impulse reagierte.
Den zweiten Teil gestaltete der Chor mit Samuel Sebastian Weseleys Thou wilt keep him in perfect peace, gefolgt von Charles Villiers Standfords Magnificat & Nunc dimittis in C und dem abschließenden Glory to thee, my God this night des englischen Altmeisters Thomas Tallis. Während des ganzen Abends beeindruckte das hervorragende Sprachtraining des Chors, das erforderlich war, um die ständigen Wechsel von Deutsch über Französisch und Latein nach (Alt-)Englisch zu meistern.
Ein Bonbon hatte der Konzertabend noch zu bieten, nämlich die Uraufführung der Laudes für Streichorchester (2019) aus der Feder von Johannes Christ. Christ, der sich das Komponieren autodidaktisch beigebracht hatte, verarbeitet hier bekannte, zum Abendlob passende Kirchenlieder zunächst in kontrapunktischem Stil, um die Stimmen am Ende in einem homophonen Satz zum abschließenden musikalischen Höhepunkt zusammenzuführen.
Alles in allem ein äußerst gelungener Kirchenmusikabend, den die Zuhörenden mit verdienten minutenlangen Standing Ovations honorierten.
Und ein Projekt, das zukunftsweisend für die Entwicklung des Laienmusizierens ist: ein gestandener Kirchenchor, ein ergänzender Projektchor und ein dynamisches, den Chor unterstützendes Kammermusikensemble, die gemeinsam musizieren. Hinzu eine Anzahl kürzerer Einzelwerke, erläuternde Worte zum Programm und zwei junge engagierte Dirigenten. Das ist ein Konzertformat für die Zukunft, welches bei schwindenden Mitgliederzahlen etablierter Chorvereine und Laienorchester eine hervorragende Alternative anbietet.
Ulrich Nilles