INGELHEIM – Die Bürger und Bürgerinnen von Ingelheim haben bei einer Gedenkstunde der Opfer des Novemberpogroms von 1938 gedacht. Zahlreich folgten sie der Einladung des Deutsch-Israelischen Freundeskreis Ingelheim (DIF), der die Veranstaltung in Kooperation mit der Stadt Ingelheim vorbereitet hatte.
„Der 9. November bleibt ein Tag des Gedenkens an das Leid so vieler Juden: bei uns in Ingelheim, in Deutschland und in Europa“, gemahnte Oberbürgermeister von Ingelheim Ralf Claus (SPD) auf dem Synagogenplatz, auf dem eine Stele an die nicht mehr existierende Ingelheimer Synagoge erinnert. „Wir verneigen uns vor den Opfern der Shoah“, sagte Claus und wies auf den engen Zusammenhang zwischen „dem Gedenken und Mahnen sowie entsprechendem Handeln“. Die Stimmen der Opfer von damals seien nicht verstummt. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig wachsenden Judenfeindlichkeit warnte der Oberbürgermeister vor einer schleichenden Vergiftung des sozialen Klimas. „Sie droht, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden. Das ist unerträglich und wir dürfen es nicht hinnehmen.“ Daher sei es gut, dass viele engagierte Menschen und initiativen in der Stadt den Konsens pflegen und den Auftrag, sich jeglichem Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzustellen, in aktives Handeln umsetzen. Auch die vor vier Jahren vom Stadtrat gefasste Ingelheimer Resolution bleibe eine Selbstverpflichtung.
Er wolle nicht näher auf die Massaker und die Folgen sowohl für die Juden als auch für die Palästinenser eingehen, führte Vorsitzender des DIF, Klaus Dürsch, in seiner Rede, aus. „Angesichts des Krieges besteht die Gefahr, in einen Teufelskreis der Rechtfertigung zu geraten.“ Stattdessen fragte er unter Zuhilfenahme einer historischen Untersuchung zu Täterschaft und Verbrechen an Juden während des Holocausts: „Lässt sich in einer demokratischen Gesellschaft ausschließen, dass Menschen dazu angestachelt werden, solche Massenmorde zu begehen?“ Dies bleibe eine Herausforderung. „Wir müssen genau schauen, was in den Schulbüchern steht und was die Lehrer unterrichten, oder wohin unsere Spenden fließen.“ Das können die Gesellschaft und der Staat leisten. Einen Wandel in den Köpfen zu erreichen, bleibe hingegen eine herausfordernde Aufgabe.
In ihrem bewegenden Beitrag berichteten Schülerinnen und Schüler der IGS Kurt Schumacher in Ingelheim von der Begegnung mit der 89-jährigen Holocaust-Überlebenden, Henriette Kretz, die die Schule im vergangenen Frühjahr besuchte. Musikalisch gestaltete die Gedenkstunde das Ensemble „Querbeet 124“.
Gregor Starosczyk-Gerlach