Gonsenheim – Die Prävention zeigt ab und zu verblüffende Gesichter. Beispielsweise das eines Gangsters, eines geläuterten Gangsters wie Maximilian Pollux (Pseudonym), der seine Erfahrungen zu Papier gebracht hat und nun durch die Republik reist, um Kids über den Abgrund aufzuklären. Eine Station machte er in Gonsenheim, in der Kanonikus Kir Realschule Plus.
Eine der Kolleginnen habe das Buch „Zappenduster“ vom Herausgeber Hubertus Becker entdeckt, erzählt Klassenlehrer Tobias Feith, der jetzt mit einigen Jugendlichen seiner Klasse den Ausführungen von Pollux zuhört. Und die haben es in sich. Wie die anderen Geschichten aus dem Buch, in dem Verbrecher zu Wort kommen, die mindestens zehn Jahre hinter Gittern verbracht haben.
Die Schüler hören sichtlich beeindruckt zu. 35 Jahre alt sei er jetzt, sagt der groß gewachsene Mann, ein Muskelpaket. „Zehn Jahre im Knast: Das ist ein Drittel meines Lebens. Mit 13 Jahren habe ich angefangen, Scheiße zu bauen und mit 15 aufgehört zu hören, was mir die Lehrer sagen.“
Der Anfang war leicht. Der Onkel hatte ihn gebeten, etwas aus Holland nach Deutschland zu bringen. „Bei ihm ging es mir immer gut, ich konnte immer lange aufbleiben und er hatte auch die tollsten elektronischen Geräte und neuesten Spiele.“ Für den Kurierdienst versprach er ihm Geld.
„Was hat mein Onkel mit mir gemacht?“, fragt Pollux in die Runde. „Er wusste, dass ich mit 13 Jahren nicht strafmündig bin.“ In die Stille wirf irgendjemand ein: „Er wollte Sie ausnutzen“. „Genau. Kann jemand, der von euch so etwas verlangt, euch wirklich lieben?“ Je länger er sein Leben schildert, die Details preisgibt, bis hin zu langer Flucht vor dem Haftbefehl in ständiger Angst, die sich in Paranoia wandelte, umso gedrückter wird die Stimmung im Klassenraum. „Mit 21 wurde ich verhaftet.“ Die Abgrenzung, das Abtöten der Gefühlswelt, um beispielsweise kein Mitleid mit dem Opfer zu haben: Das „kann ein Mann schaffen“. Er habe es in sich irgendwann auch erreicht. Doch, sagt er, „gleichzeitig geht die Liebe weg.“
Was die Großmutter erleben musste, als sie ihn im Gefängnis besuchen wollte, das habe er erst spät erkannt. Um zu passieren, musste die alte Frau am Sicherheitscheck vor fremden Leuten sowohl ihr Kopftuch wie auch den BH ablegen. „Sie tat das“. Pollux setzt auf die Wirkung solcher Bilder, die der Jugend helfen können, sich im Chaos der Gefühle zu orientieren. In krassen Bildern erzählt er von den Schattenseiten seiner Kriminalität. Bis hin zur allgegenwärtigen Wut. Die radikale Veränderung, die Pollux seinem Leben gegeben hat, bleibt seine Leistung. „Solange du wütend bist, kannst du nichts an dir ändern“, sagt er. Der Ex-Gangster, der sich in den Dienst der Prävention stellt, hat es offenbar geschafft.