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„Fahrende Musiker“ mit Virtuosität und bester Stimmung Rheingau Musik Festival in der Rotweinstadt

Die mobile Band „The Speedos“ wurde in Kloster Wasem mit frenetischem Applaus empfangen. Foto: Sabine Longerich

INGELHEIM – Im Rahmen des Rheingau Musik Festivals (RMF) hat sich eine fabelhafte Tradition bewährt: Die „Fahrenden Musiker in Weingütern“. Klingt erst einmal nicht besonders spektakulär – ist es aber. Denn wer Musik und Wein liebt, ist bei diesem Event genau richtig. Zunächst steht er aber vor der Qual der Wahl: Welches Weingut sollte es nun sein? Der Wein schmeckt überall fantastisch und die vier Bands treten tatsächlich an allen vier Orten auf. Zur Auswahl standen diesmal in Ingelheim die Weingüter Schloss Westerhaus und Wasem, sowie in Eltville der Draiser Hof – Weingut und Gutshotel Baron Knyphausen und das Schloss Reinhartshausen.

Im Weingut Wasem war die Stimmung bereits vor Eintreffen der ersten Band ausgezeichnet. Besucherinnen und Besucher stärkten sich im Garten mit regionalen Delikatessen, selbst gebackenen Kuchen und natürlich mit Wein und Sekt. Den angeregten Diskussionen konnte man entnehmen, dass die eine oder andere Band durchaus schon Kultcharakter bei den Gästen hatte.

Der Rheingau Musikfestival-Shuttleservice verfügt scheinbar über Fahrer, die nicht nur die „Fahrenden Musiker“ von Spielstätte zu Spielstätte bringen, sondern auch das Saxophonspiel virtuos beherrschen.

Dieser Eindruck bewahrheitete sich, als die vier Musiker von „The Speedos“ als erster Act die Bühne betraten. Sie wurden mit frenetischem Applaus empfangen und legten nach launigen Begrüßungsworten gleich los mit fetzigem Rock`n Roll, der so manches Paar in Bewegung und viele zum Mitsingen brachte. Als besondere Überraschung kündigte Sänger und Gitarrist Olaf Prinz dann ein weiteres Bandmitglied an. Ihr Fahrer, der ungenannt bleiben wollte, vom RMF-Shuttleservice beherrschte nicht nur das Auto einwandfrei, sondern auch das Saxophon virtuos. In zwei Stücken stellte er zusammen mit der Band sein musikalisches Können unter Beweis. Die Soli absolvierten die Musiker jeweils mitten im Publikum: den Klassiker „Stand by me“ gab es in einer Reggae-Fassung. „The Speedos“ hinterließ ein Festzelt voller bestens gelaunter und positiv eingestimmter Besucher.

Foaie Verde bedeutet „grünes Blatt“: mit diesen Worten beginnt die Gruppe jeden Songs. Foto: Sabine Longerich

Mit der zweiten Band des Nachmittags, „Foaie Verde“ aus Tübingen, präsentierten sich gleich fünf Nationen auf der Bühne. Sängerin Katalyin Horvath hat ungarische Wurzeln, Geiger Sebastian Mare ist Rumäne, Jordan Djevix am Akkordeon kommt aus Serbien, Kontrabassist Veit Hübner hat tschechische Eltern und Gitarrist Frank Wekenmann ist Deutscher. Zusammen stehen sie für Balkan Jazz vom Feinsten. Wie Sängerin Katalyn erklärte, bedeutet „Foaie Verde“ auf Deutsch „grünes Blatt“, und mit diesen Worten beginnt die Gruppe jeden ihrer Songs. Ihr mitreißender Sound ist generiert durch die multikulturellen, europäischen Wurzeln, ihre Musik geht tief unter die Haut. Dargebracht wurden Stücke aus Folk, Jazz und Pop. Sebastian Mare spielt die Geige angeblich „schneller als sein Schatten“, was man durchaus glauben kann. Zugabe war das Stück „Mademoiselle de Bucarest“, inspiriert vom französischen Gitarristen Matelo Ferret. „Foaie Verde“ wurde mit begeistertem Applaus verabschiedet.

Und dann kam mit „Billow Wood“ die reine musikalische, irische Lebensfreude auf die Bühne. Musikalität und musikalisches Talent sind tief in der Kultur und Geschichte Irlands verwurzelt, das ist bekannt. In fast allen irischen Familien werden die Kinder früh an Instrumente herangeführt und ermutigt, zu singen und zu musizieren. Sängerin Ciara O`Donnell, ihr Cousin Mark O`Donnell und dessen bester Freund, Harry Lawler, ließen schon mit den ersten Takten die irischen Traditionen in bester Manier aufleben.

Billow Woods Sängerin, Ciara O`Donnell. Foto: Sabine Longerich

Die Band schreibt ihre Songs überwiegend selbst und interpretiert sie auf traditionellen Instrumenten wie Harfe, Fiddle, Tin Whistle und Bodhrán. Ihr Repertoire umfasst „Jigs“ und „Reels“ genauso wie Traditionnels, Pop und Indierhythmen. Mit ihrer klaren und melodischen Stimme voller Kraft und Ausdruck nahm Sängerin Ciara das Publikum mit auf die Reise auf die grüne Insel. Die jungen Musiker von „Billow Wood“ überzeugten die Zuhörer im Festzelt des Weinguts Wasem, unter anderem mit den Stücken „One Night in Doolin“ und „Carpe Diem“, durch ihr virtuoses und emotionales Spiel. Das Publikum dankte es ihnen mit langanhaltendem stehendem Applaus.

Den Abschluss des musikalischen Nachmittags bildete das „Diknu Schneeberger Trio“ aus Wien. Die Musiker um Bandleader Schneeberger – Julian Wohlgemuth, Rhythmus-Gitarre, und Martin Heinzle, Bass – schufen mit ihrem feinen Gypsy-Jazz eine intime und gleichzeitig energiegeladene Atmosphäre. Diknu Schneeberger selbst zeigte eine atemberaubende Fingerfertigkeit auf der Gitarre, die das Publikum in Euphorie versetzte. Zu Recht zählt das Trio zu den besten Gypsy-Swing-Bands weltweit. Das Trio verstand es, mit seiner Musik Herzen und Ohren der Zuhörer gleichermaßen zu verzaubern. Bandleader Schneeberger hat seinen beiden Kindern jeweils einen Song gewidmet, „Herz entflammt“ und „Juna“. Die Künstler erzeugten bei deren Darbietung, mit geschlossenen Augen auf der Bühne musizierend, einen ungeheuren emotionalen Sog. Nach der Zugabe „Hope of Universe“ wurden die drei begnadeten Musiker von einem Publikum verabschiedet, das einfach „aus dem Häuschen war“.

Die Gypsy-Swing-Band: Trio Diknu Schneeberger. Foto: Sabine Longerich

„Fahrende Musiker in Weingütern“ war ein voller Erfolg und bot ein unvergessliches Erlebnis für alle Musik- und Weinliebhaber. Die einzigartige Kombination aus erstklassiger Musik, schönem Ambiente und exquisitem Wein machten den Nachmittag zu einem besonderen Highlight des Rheingauer Musikfestivals. Das Weingut Wasem, erstmals als Weinbaubetrieb erwähnt im Jahr 1726, bot mit seiner historischen Architektur die perfekte Kulisse für dieses kulturelle Ereignis. Kloster Wasem machte seinem Ruf als exzellenter Gastgeber an diesem Tag alle Ehre.

Nach einhelliger Meinung gab es an diesem Nachmittag nur einen Wermutstropfen: Die Bands hatten jeweils nur 30 Minuten Zeit für ihren Auftritt, dann wurden sie wieder zu „Fahrenden Musikern“. Man hätte gern noch mehr von ihnen allen gehört.

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Sabine Longerich: Erfahrene Journalistin bei Journal LOKAL seit 2024. Expertin für VG Bodenheim, Laubenheim und VG Rhein-Selz. Fokus auf lokale Politik, Kultur und soziales Leben. 25+ Jahre Kommunikationserfahrung, 30+ Jahre Autorentätigkeit.