„Die gesetzliche Rente allein wird nicht ausreichen“ – Experten des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute informierten zur Altersvorsorge
Mit dem Jahresbeginn 2021 sind Änderungen in der gesetzlichen und privaten Altersvorsorge in Kraft getreten, die neben der Beitragshöhe auch die Rentenhöhe und steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge betreffen. Gleichzeitig sorgen die anhaltend niedrigen Zinsen dafür, dass viele Verträge der privaten Altersvorsorge kaum noch Rendite erwirtschaften – bei anhaltend hohen Kosten. Hinzu kommt die besondere Situation der Freiberufler und Selbstständigen, die angesichts ausbleibender oder stark schwankender Einkünfte kaum fürs Alter vorsorgen können. Welchen Einfluss Neuerungen, Zinsniveau und andere Risiken auf die Altersvorsorge haben und welche Alternativen es gibt, dazu informierten Vorsorgeexperten des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten, die unsere Leser an das Lesertelefon am 18. Februar gestellt hatten:
Änderungen zum Jahresbeginn 2021 – Was bedeutet die Änderung der Beitragsbemessungsgrenze für meine gesetzliche Rente?
Uwe Dressel: Die Beitragsbemessungsgrenze gibt an, bis zu welcher Höhe des Bruttolohns Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) gezahlt werden müssen. Sie wird jährlich neu festgelegt und richtet sich nach der Lohnentwicklung des Vorjahres. 2021 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze monatlich 7.100 Euro, im Jahr 85.200 Euro. Das bedeutet: Bei entsprechendem Gehalt steigen ihre Rentenbeiträge, aber auch die spätere Rentenhöhe. Für Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze werden keine Rentenbeiträge abgeführt, es ist allerdings auch nicht rentenwirksam.
Haben die Änderungen auch Auswirkungen auf meine betriebliche Altersvorsorge?
Uwe Dressel: Ja, das haben Sie. Über die so genannte Entgeltumwandlung können Beiträge bis zu einer Höhe von acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze, also maximal 568 Euro im Monat eingezahlt werden. Bis zu vier Prozent (monatlich maximal 284 Euro) sind zudem sozialversicherungsfrei. Diese Grenze gilt bei den Durchführungswegen der Direktversicherung, Pensionsfonds, Pensionskassen und beim Sozialpartnermodell. Wer also teilweise sein Bruttogehalt in eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) investiert, spart Steuern und Sozialabgaben. Übrigens: Auch für den Arbeitgeber ist es steuerlich attraktiv, sich an der bAV seiner Mitarbeiter zu beteiligen.
Wie kann ich die Aufwendungen bei der Basis-Rente künftig steuerlich absetzen?
Martin Hardenacke: Der Gesetzgeber hat 2005 für Selbstständige und nicht gesetzlich Rentenversicherte über eine steuerliche Förderung die Möglichkeit geschaffen, fürs Alter vorzusorgen: die Basis-Rente, auch als Rürup-Rente bekannt. 2021 können Sie 92 Prozent Ihrer Einzahlungen bis zu einem Höchstbetrag von 25.787 Euro in einen Basis-Rentenvertrag steuerlich absetzen, ab dem Jahr 2025 sogar 100 Prozent. Damit sinkt Ihre jährliche Steuerlast, was die Attraktivität der privaten Altersvorsorge für Selbstständige erhöht, insbesondere bei hoher Steuerlast. Allerdings werden in der späteren Rentenbezugsphase die Zahlungen aus der Basis-Rente mit Ihrem dann persönlichen Steuersatz als Rentner voll besteuert.
Private Vorsorgeplanung – Es gibt doch die gesetzliche Rente. Warum soll ich überhaupt privat vorsorgen?
Jürgen Rohm: Die gesetzliche Rente allein wird für eine Sicherung Ihres bisherigen Lebensstandards im Rentenalter nicht ausreichen. Wegen des andauernden Geburtenrückgangs und einer stetig zunehmenden Arbeitsproduktivität zahlen immer weniger Beschäftigte in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Als Gegenmaßnahme hat der Gesetzgeber beschlossen, das Rentenniveau der gesetzlichen Rente abzusenken, um sie langfristig finanzierbar zu halten. So beträgt das Rentenniveau gegenwärtig 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns, die durchschnittliche Rentenhöhe liegt aktuell bei rund 982 Euro im Monat – Tendenz weiter sinkend. Hinzu kommt: Steuern und Sozialabgaben mindern die Rente, die Kaufkraft geht mit der Inflation zurück. Wer also heute noch über 2.500 Euro netto im Monat verfügt, fällt mit Erreichen des Rentenalters finanziell tief – es sei denn, er hat über eine Betriebsrente oder eine private Rentenversicherung vorgesorgt.
Worauf muss ich achten, wenn ich für das Alter vorsorgen will?
Gerald Archangeli: Sie sollten einerseits auf eine auskömmliche Rendite Ihrer Vorsorge achten, andererseits auf die Sicherheit Ihres Altersvermögens. Leider gibt es zwischen diesen beiden Zielen immer wieder Konflikte. So kann man zwar mit risikoreicheren Anlagen wie Aktien und Fonds höhere Renditen erzielen, aber die Sicherheit ist geringer, weil diese Investments schwankungsanfälliger sind. Es wäre fatal, wenn Ihr Aktienfonds just zu dem Zeitpunkt ins Minus dreht, wenn Sie in die Rentenbezugsphase kommen. Hier bieten zum Beispiel fondsgebundene Rentenversicherungen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beiden Zielen der Rendite und Sicherheit, denn die Versicherung achtet darauf, dass das eingezahlte Geld zu Beginn stärker in Aktien fließt, während in den letzten Jahren vor dem Rentenbezug in sicherere Anlageformen wie europäische Staatsanleihen investiert wird.
Lohnt es sich, weiter in meinen Riester-Vertrag einzuzahlen?
Martin Hardenacke: Das kommt auf Ihren individuellen Vertrag an, aber in der Regel lautet die Antwort ja, weil Sie weiterhin die staatlichen Zulagen erhalten. Einzige Voraussetzung für die vollen Riester-Zulagen ist, dass Sie vier Prozent Ihres Vorjahresbruttolohns, mindestens aber 60 Euro pro Jahr, in Ihren Riester-Vertrag einzahlen. Zusätzlich können Sie die Einzahlungen in der Steuererklärung als Aufwendungen zur Altersvorsorge steuermindernd geltend machen. Das Finanzamt subventioniert Ihre Vorsorgeleistungen also zusätzlich. Riester-Verträge eignen sich besonders für Geringverdiener. Eine alleinstehende Mutter mit zwei kleinen Kindern beispielsweise würde bei einer minimalen jährlichen Eigenleistung von 60 Euro insgesamt 775 Euro allein an staatlichen Förderzulagen bekommen. Da Riesterverträge über eine lange Zeit laufen, wirken diese jährlichen Förderzulagen wie ein Turbo beim Aufbau des Altersvermögens bei minimalem Aufwand. Bei aller staatlicher Förderung sollten Sie jedoch auf die Verwaltungskosten Ihres Riester-Vertrages achten, damit die Rendite nachher stimmt.
Wie kann ich Vorsorge mit Renditeaussichten betreiben?
Jürgen Rohm: Vor allem kommt es darauf an, so früh wie möglich mit der Altersvorsorge zu beginnen, weil der Zinseszinseffekt in der langen Ansparzeit das bis zur Rente eingezahlte Vermögen vervielfachen kann. Achten Sie auf zertifizierte, bewährte und sichere Altersvorsorgeprodukte wie fondesgebundene Rentenversicherungen, zu denen Sie sich von einem örtlichen Versicherungsvermittler informieren und beraten lassen können. Wenn Sie angestellt arbeiten, fragen Sie Ihren Arbeitgeber nach Möglichkeiten der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, Ihnen eine bAV anzubieten. Häufig bieten Unternehmen über betriebliche Gruppenverträge kostengünstige Altersvorsorgeverträge an – und neuerdings auch gesetzliche Zuschüsse von mindestens 15 Prozent nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz.
Wie funktioniert eine fondsgebundene Rentenversicherung?
Jürgen Rohm: Im Kern braucht es dazu zwei Dinge: die Versicherung, die am Ende eine lebenslange Rente auszahlt, und mindestens einen Fondsanbieter, mit dem die Versicherungsgesellschaft zusammenarbeitet. Doch es gibt einige Punkte zu bedenken, zum Beispiel die Frage, wie die Erträge ausgezahlt werden sollen. Sie sollten sich deshalb von einem Experten beraten lassen. So können Sie auch erkennen, welches Anlagemodell zu Ihnen passt. Die Policen lassen das Sparen mit Investmentfonds aller Art zu – Aktien-, Renten- und Mischfonds ebenso wie die Indexfonds, auch als ETFs bekannt. Mit sogenannten Depotmodellen kann man die Wahl auch an Profis delegieren. Die Sparraten fließen – nach Abzug von Abschluss- und Vertriebskosten – direkt in die gewählten Investmentfonds. Ein Knackpunkt ist das Thema Beitragsgarantie: Sie mindert die Renditechancen. Aufgrund des aktuellen Nullzinsumfelds und des historisch geringen Verlustrisikos von Aktien und Aktienfonds bei einer Anspardauer länger als 12 Jahren kann auf eine Beitragsgarantie verzichtet werden.
Sind Vergleichsportale hilfreich für die Vorsorgeplanung?
Gerald Archangeli: Vergleichsportale können einen ersten Anhaltspunkt im Markt der Altersvorsorgeprodukte bieten, nicht mehr und nicht weniger. Der Weisheit letzter Schluss sind sie jedoch auf keinen Fall. Für eine Absicherung im Alter sollte man sich auf jeden Fall persönlich durch einen Versicherungskaufmann oder Finanzberater beraten lassen. Denn schließlich werden Sie sich – wenn es gut läuft – jahrzehntelang binden und müssen genau wissen, wie sicher sich Ihr eingezahltes Kapital rentiert. Hinzu kommt noch in der heutigen Zeit der Klimakrise, dass immer mehr Kunden wissen wollen, wohin ihr Kapital fließt.
Die Rente ist noch weit hin. Lohnt sich für mich als Azubi und Student überhaupt jetzt schon vorzusorgen?
Martin Hardenacke: Ja, auf jeden Fall lohnt es sich, damit so früh wie möglich zu beginnen. Zum einen vervielfacht der Zinseszinseffekt Ihre eingezahlten Beiträge und führt damit zu einer höheren Rente. Zum anderen können Sie, wenn Sie früh beginnen, kleinere Beiträge für Ihre Altersvorsorge und spätere Rente verwenden, weil Sie viel länger einzahlen. Diese kleineren Beiträge lassen sich viel besser verschmerzen und man hat damit subjektiv weniger den Eindruck, sich in seinem privaten Konsum einschränken zu müssen. Beginnt man erst in den späteren Jahren mit einer privaten Altersvorsorge, muss man viel höhere Beiträge aufbringen, um den denselben Kapitalstock für die Rente aufzubauen. Bei einem niedrigen Gehalt bedeutet das große Einschränkungen im persönlichen Lebensstandard, um als Rentner nicht zu verarmen.
Selbstständige und freiberuflich Tätige – Wie kann ich als Selbstständiger trotz schwankender Einkünfte eine Altersvorsorge aufbauen?
Uwe Dressel: Sie können als Selbstständiger eine Basis-Rente abschließen. Lassen Sie sich dazu von einem Versicherungskaufmann beraten. Er kann Ihnen auch sagen, wie der Vertrag so gestaltet werden kann, dass auch bei Einnahmeschwankungen der Altersvorsorgevertrag weiterläuft, beispielsweise über Stundungen oder temporäre Beitragsfreistellungen.
Worauf muss ich achten, wenn ich laufende Verträge, zum Beispiel eine fondsgebundene Rentenversicherung, beitragsfrei stelle?
Gerald Archangeli: Auf jeden Fall ist es bei finanziellen Engpässen besser, zunächst einmal eine Rentenversicherung beitragsfrei zu stellen, also keine Beiträge mehr einzuzahlen, als die Versicherung ganz zu kündigen. Denn bei einer Beitragsfreistellung können Sie Einzahlungen in Ihre Altersvorsorge wiederaufnehmen, sobald Sie wieder Geld dafür übrighaben. Bei einer Kündigung würden Sie viel Geld verlieren, weil der Versicherer seinen Verwaltungsaufwand und Vertriebskosten von dem bisher erzielten Kapitalstock abzieht, so dass Sie viel weniger Geld herausbekommen als Sie bisher eingezahlt haben. Voraussetzung für eine Beitragsfreistellung einer fondsgebundenen Rentenversicherung ist zudem, dass ein ausreichendes Deckungskapital vorhanden ist. Mein Tipp: Bevor Sie irgendwelche Maßnahmen in die Wege leiten, lassen Sie sich von Ihrem Versicherungsvermittler eingehend beraten.
Werden Selbstständige zukünftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müssen?
Gerald Archangeli: Das lässt sich aktuell, also vor der Bundestagswahl am 26. September, nicht sicher beantworten. Es gibt jedoch Pläne, Selbstständige, insbesondere Soloselbstständige, zur Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) zu verpflichten, weil dieser Personenkreis nicht immer fürs Alter vorsorgt. Das Risiko für Altersarmut nimmt zu und viele Soloselbständige rutschen im Alter in die Grundsicherung (Hartz IV). Aufgrund der schwankenden Einnahmen vieler Selbstständiger wäre es besser, flexiblere Altersvorsorgeoptionen als die GRV für diesen Personenkreis zur Pflicht zu machen und vor allem für Existenzgründer in den ersten Jahren der Selbstständigkeit diese Pflicht auszusetzen. Dafür setzt sich auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) ein.
Die Experten am Lesertelefon waren: