ESSENHEIM – Wohin steuert die Weltmacht USA? Zehn Tage nach Donald Trumps Amtsantritt als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) gewährte ein Podiumsgespräch in Essenheim einen aufschlussreichen Blick auf die Geschehnisse in Amerika und Trumps Person. Der Verein Fokus Essenheim hatte den Leiter des ZDF-Studios in Washington, Elmar Theveßen, zum Gespräch über politische und wirtschaftliche Folgen für die Welt und Europa und Deutschland eingeladen. Ihm zu Seite gesellte sich Karina Szwede, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen. Christopher Wehrmann vom ZDF moderierte den anderthalbstündigen Austausch mit Publikumsfragen.
Gebannt folgten rund 250 Zuhörerinnen und Zuhörer in der Domherrnhalle die Antworten. Natürlich stand Theveßen im Fokus, der Mann, der bei der verlorenen Wahl von Trump vor fünf Jahren vom Sturm auf das Kapitol vor Ort berichtete und mit seinem Kameramann vom Pöbel angegriffen worden war. „Uns ist dann nichts passiert“, sagte er. Er sei befangen, und deswegen sage er, so Theveßen: „Ich habe null Verständnis dafür, wie Leute, die Gewalt angewendet haben, nicht gegen uns, sondern gegen Polizisten, gegen Sicherheitskräfte, gegen Helfer und gegen andere auf dem Weg dahin, wie die mal ebenso mit dem Federstrich alle begnadigt werden.“
Durch Theveßens Blick trat auch der Narzisst Trump – hierbei berief sich Theveßen auf Meinungen von Psychologen – deutlich hervor. Das krasseste Beispiel: Der hohe Preis, den Trump im Deal mit dem russischen Präsidenten, Wladimir Putin, womöglich aushandeln wolle, bedeutete, dass 20 Prozent des ukrainischen Territoriums, darunter die Ostgebiete, die Krim, vielleicht auch der Süden der Ukraine aufgegeben würden. „So schrecklich ich das finde: Wenn er es schafft, zu dem Preis ein Atomabkommen mit China und Russland auszuhandeln, dann kann er sich Hoffnungen machen auf seinen größten Wunsch – den Friedensnobelpreis.“
Nicht weniger schockierend hörten sich die Einschätzungen rund um die Abschaffung von Faktenchecks in den USA als Teil des Programms „Rechte aller Länder, vereinigt euch“, bei dem eben die Superreichen wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg großen Einfluss auf die Politik nehmen. Trump und seine Unterstützer fördern rechtspopulistische Bewegungen in Europa, so Theveßen mit Verweis auf die Zusammenarbeit mit Alice Weidel (AfD).
Die Personalauswahl für die Regierungsposten diene dabei der „Durchsetzung einer Ideologie“. Musk habe sich mit 280 Millionen Dollar in die amerikanische Regierung eingekauft. „Er hat die beiden Atomwaffen der modernen Politik: Geld und eine soziale Medienplattform“, zitierte Theveßen aus dem Gespräch mit Steve Bannon, dem Ex-Berater von Trump. In den USA sei bereits ein Trend zu beobachten, dass viele Medien sich Trump anpassen, um ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern, so der ZDF-Journalist. Kritiker sehen darin eine globale Strategie zur Destabilisierung liberaler Demokratien. Europa sollte sich als potente Bastion unabhängiger Berichterstattung profilieren, die gegen Fake News und Manipulationen ankämpfen kann.
Theveßens Verweis auf Trumps Bewunderung für William McKinley, den US-Präsidenten von 1897 bis 1913, der „für zwei Sachen bekannt war – den Spanisch-Amerikanischen Krieg und die Strafzölle“. Bei dem ansonsten sehr unberechenbar daherkommenden Trump klang jene Anmerkung wie Entschlüsselungshilfe, die beispielsweise Europa die Auswahl der Gegenmaßnahmen erleichtern könnte.
So spielt Grönland in Trumps Imperialismus-Bestrebungen eine Rolle, weil es „immer wichtiger für den Welthandel wird, da die Arktis auftaut, dabei die Westpassage frei wird, und Grönland als Handelsstützpunkt für China, Russland und andere interessant wird. Auch für die Ausbeutung der Rohstoffe.“
Strategisch gesehen sollten sich die Europäer daher Gedanken machen, wie sie sicherstellen, dass solche Vorteile für die freie Welt und nicht für China und Russland genutzt werden könnten, empfahl IHK-Chefin Szwede. „Trumps Entscheidungen müssen nicht zwingend einen positiven Effekt für die Wirtschaft haben.“ Die Folgen für die Unternehmen in Rheinland-Pfalz, aber auch in Rheinhessen, schätzte sie vor dem Hintergrund von Trumps Versprechungen rund um Amerika, das im strahlenden Gold erscheint, ein.
In Rheinland-Pfalz seien allerdings die USA der wichtigste Exportmarkt nach der EU, sagte sie und forderte die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und den Bürokratieabbau. „Deutsche Unternehmen setzen darauf, dass sich wirtschaftliche Zwänge gegen Trumps protektionistische Maßnahmen durchsetzen.“ Theveßen wies auf einige Interessenkonflikte mit offenem Ausgang hin. Unter den 51 Exekutivbefehlen befänden sich jene zur massiven Ausweitung der Öl- und Gasförderung. „Die Ölpreise sind bereits niedrig, sodass Investitionen in Förderanlagen unattraktiv werden könnten.“
Eine präsidentielle Anordnung habe die Windkraft-Expansion in den USA gestoppt. Theveßen: „Dies bringt ihn in Konflikt mit republikanisch regierten Bundesstaaten wie Texas und Iowa, die stark auf Windenergie setzen. Sollte dieser Kurs wirtschaftliche Nachteile für die betroffenen Regionen bringen, könnte dies innerhalb der republikanischen Partei für Spannungen sorgen.“ Die geopolitische Strategie der USA ziele darauf ab, Europa und andere Partnerländer wirtschaftlich und militärisch unter Druck zu setzen.
Theveßen und Szwede sehen die EU und Deutschland aber nicht machtlos. „Wir können hoffen, dass die ,Checks and Balances‘ (System, das die Gewaltenteilung im Gleichgewicht hält, Red.) in den USA funktionieren“, meinten beide. Schwede betonte: „Es ist in unserem Interesse, dass der US-Markt ein stärkerer Wirtschaftsmarkt mit der Verflechtung und der Globalisierung bleibt.“ Jedoch müsse Europa selbstbewusst und geschlossen agieren. „Wir dürfen uns nicht kleinmachen.“