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Gottesdienstlicher Marathon

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BRETZENHEIM – Auf der Suche nach neuen Wegen für die Feierlichkeiten zum Weihnachtsfest sucht die evangelische Philippus-Gemeinde nach der angemessenen Balance. „Wir müssen abwägen, wie wir einerseits die seelsorgerische Aufgabe wahrnehmen und anderseits die geforderte Sicherheit gewährleisten“, sagt Pfarrer Sascha Heiligenthal.

Deshalb habe sich die Gemeinde dazu entschieden, an Heiligabend einen Weihnachtsmarathon in Angriff zu nehmen. „Wir feiern zwölf Gottesdienste stündlich zwischen 11 und 23 Uhr nacheinander am Stück.“ Unter anderem einen Predigtgottesdienst, einen Jugendgottesdienst sowie jeweils zwei Krabbel-, Kinder- und Literaturgottesdienste. Zur Heiligen Nacht gibt es dann auch eine Weihnachtsfeier mit Promistatus, bei der Dekan Andreas Klodt vorbeischaut, kündigt der Pastor an. „Das gibt uns die Möglichkeit, jeweils mit einer kleinen Gemeindeschar auf Abstand Weihnachten zu begehen.“ Darüber hinaus soll an den Feiertagen die Kirche offen bleiben. „Wir lassen die Leute mal selber für die Religion sorgen“, sagt der Pfarrer, der sich die Leitung der Gottesdienste mit seiner Frau, Pfarrerin Maria Heiligenthal, teilt. Sie ergänzt: „Natürlich würden wir beide allein dies gar nicht bewältigen.“ Glücklicherweise engagieren sich in der Coronazeit viele Gemeindemitglieder sehr stark, sagt sie. So werden die Kirchenjugend und der Kirchenvorstand jeweils zwei Gottesdienste übernehmen. „Wir hätten noch mehr machen können, aber irgendwann wird es Nacht“, schmunzelt Sascha Heiligenthal.

Für alle, die nicht in die Kirche kommen wollen, wird es darüber hinaus ein paar Online-Gottesdienste geben: an Heiligabend allein zwei. Im Pfarrbrief ist obendrein der Ablauf eines Gottesdienstes für den Gebrauch zu Hause abgedruckt. Mit der Predigt und allem anderen. Ein Kirchenmitglied habe dankend eine Rückmeldung gegeben, freut sich Heiligenthal. „Er habe es mit seiner Mutter vorgefeiert und fragte, ob das so in Ordnung wäre.“

Dass sich die Religion auffächert, empfindet er als ein deutlich erkennbares Signal, das den urevangelischen Gedanken aufgreift. „Die Kirche ist nicht allein dazu da, um Gottesdienste in der Kirche anzubieten, sondern um die Menschen zu ermutigen, die Religion zu Hause zu pflegen.“ Die Renaissance der Art, wie die Urkirche ihr Bekenntnis praktizierte, sei zwar durch Corona bedingt, bleibe aber nichtsdestominder höchst segensreich. „Weihnachten muss nicht so sein wie jedes Jahr“, ermutigt Maria Heiligenthal. „Wie oft verursacht solcher Anspruch Unzufriedenheit.“ Die Christnacht 2020 sei die Gelegenheit, sich von vielem zu befreien und kreativ zu werden, um für sich selber ein Fest zu gestalten, das einen im Endergebnis erfüllt. „Warum sollen wir es nicht wagen, zu entscheiden, dass Weihnachten einfach mal neu und anders für uns sein soll?“