
NIERSTEIN – Vor Kurzem füllte sich das Auditorium im Weingut Raddeck bis auf den letzten Platz mit Gästen. Der Geschichtsverein Nierstein lüftete dort symbolisch den Vorhang für einen literarisch-musikalischen Abend, der an das Zuckmayer-Jahr erinnerte und damit die Uraufführung von „Der fröhliche Weinberg“ vor genau hundert Jahren würdigte.
Die Literaturwerkstatt Rheinhessen – Martin Baltrusch, Rudi Lucas und Thomas Klippert – nahm das Publikum gemeinsam mit dem Musik-Duo joy2you zunächst beim Wort „Heimat“ an die Hand: „Heimat ist Gesetz und keine Gefühlsduselei“, sagte Rudi Lucas, bevor die Reise durch Carl Zuckmayers fünf Lebensstationen begann. Von Nackenheim, dem rheinhessischen Geburtsort, führte der Weg nach Mainz, das Zuckmayer liebevoll sein Klein-Paris nannte. Nach dem Kriegsdienst verschlug es ihn in die quirlige Metropole Berlin, wo er 1925 mit „Der fröhliche Weinberg“ seinen Durchbruch feierte.
Doch die Idylle hielt nicht: In Henndorf bei Salzburg wollte Zuckmayer Wurzeln schlagen, bis die Nationalsozialisten ihn zur Flucht zwangen. Die Berge von Vermont wurden zur vierten Heimat; dort schrieb er weiter und gewann Abstand. Nach 1945 kehrte er zunächst sporadisch nach Deutschland zurück. Erst 1958 fand er seinen letzten Ruhepunkt in Saas-Fee, hoch oben in der Schweiz.
Zwischen den Passagen setzten Anja Stroh und Peter Przystaniak feine musikalische Akzente. Przystaniak hatte Zuckmayers Gedichte vertont, Stroh gab ihnen Stimme – leise Töne, die den Keller kurz zum Innehalten brachten.
Hans-Peter Hexemer, Vorsitzender des Geschichtsvereins, fasste den Abend in einem Satz zusammen: „Erst kommt der Mensch, dann die Menschenordnung.“ Zuckmayer habe dieser Heimat der Humanität stets die Treue gehalten, betonte er. Das Publikum dankte es mit langem Applaus – und mit Vorfreude auf die weiteren Stationen des Zuckmayer-Jahres, das Rheinhessen bis Dezember begleiten wird.
red