Start Gesellschaft Herzensfrage des gesunden Menschenverstandes Von Hirschhausen und Dohm erhalten den Gutenberg-Zukunfts-Award ...

Herzensfrage des gesunden Menschenverstandes Von Hirschhausen und Dohm erhalten den Gutenberg-Zukunfts-Award

Lea Dohm (Mitte) und Eckart von Hirschhausen diskutierten miteinander über klimarelevante Themen und stellten sich im Vorfeld der Preisverleihung einigen Fragen des Auditoriums. Foto: Gregor Starosczyk-Gerlach

MAINZ – Die Wissenschaft kann es doch, und zwar: Antworten liefern. Was tun angesichts der klimatischen Veränderungen, die unweigerlich zur allgemeinen Erderwärmung führen? Anderthalb Grad mehr sind es inzwischen. 2050, also früher als bisher vorausberechnet, könnte die Drei-Grad-Marke fallen. Was tun also? Die Preisträger des diesjährigen Gutenberg-Zukunfts-Awards der Johannes Gutenberg-Universität Mainz – Arzt, Journalist und Kabarettist Eckart von Hirschhausen sowie Psychologin und Psychotherapeutin Lea Dohm – versorgten die rund 800 Zuhörern im Großen Saal der Rechtswissenschaften mit praktikablen Einsichten.

Von Hirschhausen brachte in der Art eines Kabarettisten die Tatsachen auf den Punkt: „Klima ist wie Bier – warm ist scheiße.“ Man müsse sich dem Publikum anpassen, kommentierte er den Satz, und alle lachten. Schimpansenforscherin Jane Goodall stellte er als sein Vorbild vor und bat die Nebeneinandersitzenden im Saal, einander durch eine Geste der Berührung am Kopf zu begrüßen. So, wie es Schimpansen tun. Der Heiterkeit im Saal folgte die Überleitung zum Menschen. „Wie können wir uns als intelligente Wesen bezeichnen und unser eigenes Zuhause zerstören?“, stellte er dem Publikum die Frage schlechthin, die ihm Goodall einst gestellt habe.

Lea Dohm und Eckart von Hirschhausen brachten ihre Fachansichten in einen interdisziplinären Meinungsaustausch ein.
Foto: Gregor Starosczyk-Gerlach

Nicht nur an dieser Stelle gab er sich als Sprachrohr und Anwalt der Natur und letztlich auch des Auditoriums. „‚Umwelt‘ ist ein doofes Wort, reden wir doch von der ‚Mitwelt‘.“ Denn: „Von oben sieht man keine Grenzen“, kommentierte er das Bild des blauen Planeten. Was man aber sehen könne, sei der Klimawandel. „Was früher grün war, ist jetzt braun. So wird die Naherholung zur Nahtoderfahrung.“ Nicht mehr Wissenschaft brauchen die Leute, denn die Fakten liegen auf dem Tisch, stattdessen mehr Kommunikation. Tatsächlich seien viele Menschen engagiert. „Doch das findet medial gar nicht statt.“ Die Mehrheit wisse oft garnicht, dass sie die Mehrheit sei.

Dass sie die Klimaveränderung zugleich als psychosoziale Belastung wahrnimmt, führte Psychologin Lea Dohm aus und griff zu einem Bild: Wie bei einem Eisberg betrachten die Menschen nur die Spitze. Die meisten wissen um die Bedrohung, doch sie verdrängen sie, um den gewohnten Lebensstil zu bewahren. „Vor dem Problem, das so dringend ist, schrecken wir zurück und empfinden es als unangenehm.“

Mit „Ablasshandel“ verglich sie die kleinen symbolischen Handlungen, die das Gewissen beruhigen, aber keine echte Veränderung bringen. Tatsache sei auch, dass die Klimakrise der psychischen Gesundheit schade. „Da kann man echt depressiv werden.“

Ihre These: Gefühle wie Angst, Trauer oder Schuld im Umgang mit der Klimakrise seien normal und sogar gesund, solange sie nicht in Überforderung oder Gefühllosigkeit kippen. „Nur wer Gefühle zulässt und zugleich handlungsfähig bleibt, kann Wandel gestalten.“

Nach Dohm besitzt die Psychologie die Schlüsselkompetenzen für die Transformation: Motivation, Kommunikation und das Verstehen menschlichen Verhaltens. Zudem gebe es klimaschutzrelevante Lösungen, die zugleich die psychosoziale Gesundheit stärken, so wie Mobilität, Radfahren, begrünte Städte oder neue Orte der Begegnung.

Dohms Plädoyer für die Zulassung von Gefühlen passte auch zu von Hirschhausens Empfehlung, auf den „Herzabdruck“, der das Engagement emotional trägt, zu achten. Wer die Türen und Fenster – zudem auch das Herz – öffnet, wird auf sein Zuhause blicken und sich fragen dürfen: Was für ein Mensch möchte ich in 40 Jahren gewesen sein? „Nur wenn wir spüren, was auf dem Spiel steht, werden wir wirklich handeln.“

Mit der Preisverleihung hat an der Mainzer Uni zugleich die interdisziplinäre Vortragsreihe „Voices for Climate“ begonnen. Wöchentlich wird die Klimakrise aus verschiedensten Perspektiven – von den Naturwissenschaften über die Geistes- und Sozialwissenschaften bis zu Kunst und Theologie – bis Februar 2026 beleuchtet. Die Teilnahme ist online und in Präsenz möglich, die Anmeldung über diesen Link.

Vorheriger ArtikelEinladung zur Zirkus-Fassenacht 2026
Avatar-Foto
Gregor Starosczyk-Gerlach: Redaktionsleiter für Journal LOKAL Rheinhessen. Erfahrener Journalist und Fotograf für Journal LOKAL seit 2013. Experte für Lokalmedien mit Schwerpunkt Rheinhessen und Mainz. Theologiestudium als Inspirationsquelle für faszinierende Alltagsgeschichten.