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Kunstwerk erinnert an die Verfolgung Wohnungsloser in der NS-Zeit Bildhauer Konrad Franz gewinnt künstlerischen Ideenwettbewerb

Das Kunstwerk soll auf dem Vorplatz der Kirche St. Peter in der Großen Bleiche aufgestellt werden. Foto: Konrad Franz

MAINZ – Der Verein „Armut und Gesundheit in Deutschland“ unter dem Vorsitz von Prof. Gerhard Trabert hat mit Unterstützung der Landeshauptstadt Mainz im Sommer 2024 einen künstlerischen Ideenwettbewerb für ein Kunstwerk im öffentlichen Raum ausgelobt, das an jene wohnungslosen Menschen erinnern soll, die als sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ während der NS-Diktatur verfolgt wurden. Der geplante Standort für das Kunstwerk ist der Vorplatz von St. Peter am Allianzhaus an der Großen Bleiche.

Gewinner des Wettbewerbs ist der Entwurf „Diffamiert“ des Bildhauers Konrad Franz aus Aschaffenburg. Er wurde unter den 29 eingegangenen Bewerbungen vom Entscheidungsgremium einstimmig auf Platz 1 gewählt. Der Entwurf sieht eine abstrahierte und etwa lebensgroße Figurengruppe aus drei Personen vor, die auf dem Boden kauern, teilt die Stadtverwaltung mit.

Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse, die gemeinsam mit Prof. Trabert den Vorsitz der Jury innehatte, fasst die Entscheidung mit folgenden Worten zusammen: „Mit Konrad Franz haben wir einen Künstler ausgewählt, der sich in der Vergangenheit bereits intensiv mit der künstlerischen Bearbeitung der schrecklichen Verbrechen durch die Nationalsozialisten auseinandergesetzt hat. Eben weil das Thema Mahnen und Gedenken in seinen verschiedenen Formen so besonders wichtig in unserer Stadt ist, begrüße ich dieses Kunstwerk: Denn damit entsteht ein weiterer Ort für eine weitere Opfergruppe. Ausgewiesene Orte für die verfolgte Gruppe der sogenannten ‚Asozialen‘ und ‚Berufsverbrecher‘ kennen wir bisher noch nicht. Mainz kann hier Impulsgeberin für andere Kommunen sein. Ich danke Prof. Trabert, der mit seiner Idee an uns herangetreten ist.“

Prof. Gerhard Trabert ergänzt: „Die Figurengruppe stellt das Leid der Opfer in den Mittelpunkt. Das Leid wird durch diese Form der Darstellung konkret sichtbar, das Leid bekommt Kontur, bekommt ein ‚Gesicht‘ und steht für die oftmals zwar gesehenen, aber nicht wahrgenommenen Menschen am Rande der Gesellschaft, in Vergangenheit und Gegenwart. Die Figuren sind weder als Frau noch als Mann zu identifizieren und damit einfach ‚menschlich‘.“ Dies schließe keine Personengruppen aus und schlage eine Brücke zwischen dem Erinnern an die Verbrechen der Vergangenheit und zunehmender Ausgrenzung sozial benachteiligter Menschen in der Gegenwart, so Trabert. „Erinnern ist immer auch ein Plädoyer, das gegenwärtige Verhalten zu reflektieren und zu handeln.“

Der Verein „Armut und Gesundheit Deutschland“ hat sich zum Ziel gesetzt, mit diesem Kunstwerk im öffentlichen Raum der Stadt Mainz an die Verfolgung einer in der bundesweiten Gedenkarbeit bislang kaum repräsentierten Opfergruppe zu erinnern: der wohnungslosen Menschen, die von der NS-Diktatur als sogenannte „Asoziale“ diffamiert, verfolgt, vertrieben, interniert oder ermordet wurden. In der Systematik des NS-Regimes wurden diese Menschen mit dem „Schwarzen Winkel“ gekennzeichnet. Neuere Forschung hat darauf hingewiesen, dass es in vielen Fällen zudem Überschneidungen mit dem Diffamierungsmerkmal der sogenannten „Berufsverbrecher“ gab, die mit dem „Grünen Winkel“ gekennzeichnet wurden. Das Kunstwerk soll beide Opfergruppen berücksichtigen.

Die Angehörigen dieser Gruppen und ihre Nachfahren sahen sich einer doppelten Diskriminierung ausgesetzt: Nach dem erlittenen Leid unter der NS-Herrschaft konnten sie auch in den Jahrzehnten nach deren Ende keine Anerkennung oder Wiedergutmachung erreichen, stattdessen erfuhren sie oftmals weitere Ausgrenzung. Erst seit wenigen Jahren wird dieser Themenkomplex stärker beforscht und beispielsweise in Wanderausstellungen behandelt. Die offizielle Anerkennung dieser Opfergruppen durch den Deutschen Bundestag fand erst 2020 statt.

Das nun für Mainz vorgesehene Kunstwerk ist eine der ersten künstlerischen Setzungen im öffentlichen Raum zu diesem Thema in Deutschland. Bislang gibt es nach aktueller Kenntnis keinen ausgewiesenen Ort des Gedenkens, der speziell diesen Opfergruppen gewidmet ist.

red