HECHTSHEIM – Ist die Schriftstellerin Ina Seidel als Namensgeberin der gleichnamigen Hechtsheimer Straße tragbar oder muss die Straße umbenannt werden? Seidel hatte offen ihre Bewunderung für Adolf Hitler kundgetan, ihre Meinung nach dem Krieg aber revidiert. Zu diesem Thema beriet der Hechtsheimer Ortsbeirat ausführlich in seiner jüngsten Sitzung. Auslöser war ein SPD-Prüfantrag an die Verwaltung, über eine Umbenennung der Straße noch einmal eingehend nachzudenken. SPD-Fraktionssprecher Klaus Euteneuer: „Die Arbeitsgruppe „Historische Straßennamen‘ empfiehlt zwar, keine Umbenennung vorzunehmen. In dem jetzt vorliegenden Abschlussbericht fehlt jedoch ein Aspekt: Seidel wurde 1944 in die ,Gottbegnadetenliste‘ aufgenommen: einer von den Nazis zusammengestellten Liste, in der 1041 Künstler aufgeführt waren, die dem Regime wichtig waren.“ Es sei nicht klar, ob diese Informationen der Arbeitsgruppe vorgelegen haben, erläuterte Euteneuer den Hintergrund.
Anderer Meinung ist die bürgerliche Opposition im Ortsbeirat. „Frau Seidel hat sich nach dem Krieg distanziert von der NS-Geschichte“, erläuterte CDU-Fraktionssprecher Franz Jung den Änderungsantrag von CDU, ÖDP und Freien Wählern, stattdessen ein ergänzendes Straßenschild anzubringen, in dem auf die „problematische Haltung“ der Schriftstellerin aufmerksam gemacht wird. Ansonsten müssten beispielsweise auch die nach den römischen Feldherren Drusus und Agrippa benannten Straßen umbenannt werden, da diese für Feldzüge verantwortlich seien, so Jung. „Sie hat niemanden totgeschlagen“, ergänzte Prof. Felix Leinen (ÖDP).
Die Sozialdemokraten blieben bei ihrer Meinung. Euteneuer kritisierte, dass in unmittelbarer Nachbarschaft eine Straße nach der aus einem jüdischen Elternhaus stammenden Schriftstellerin Nelly Sachs benannt ist. „Das ist eine unglaubliche Instinktlosigkeit“, schimpfte Euteneuer. „Bei Nazis gibt es kein Aber“, bekräftigte Tatiana Herda Munoz (SPD).
Birgit Zehe-Clauß (FDP) gab zu bedenken, dass eine Straßenumbenennung einen „riesigen Rattenschwanz“ nach sich ziehe. Stattdessen sollten künftig Namen noch besser hinterfragt werden. Die SPD entschied, den Antrag in eine Anfrage an die Stadt umzuwandeln, ob der Arbeitsgruppe die eingangs erwähnten Informationen bekannt waren. Danach soll das weitere Vorgehen erneut beraten werden. Der SPD-Antrag und der CDU-Änderungsantrag wurden beide zurückgezogen und nicht abgestimmt.