BODENHEIM – Journal Lokal berichtete bereits kurz von den Baumängeln am historischen Rathaus in Bodenheim. Sachverständige hatten bis vor Kurzem das altehrwürdige Haus in Augenschein genommen. Und JA – sie kamen zu einem Ergebnis!
„Es ist ein Fiasko!“ so Thomas Becker-Theilig, Ortsbürgermeister von Bodenheim. „Erst vor 12 Jahren wurde das Rathaus für enorm viel Geld komplett saniert, jetzt muss alles nochmals saniert werden! Unglaublich!“
Und vor dem Hintergrund, dass die gesetzlichen Gewährleistungsfristen bereits abgelaufen sind, muss nun die Gemeinde Bodenheim die Kosten alleine tragen. Auch die rechtliche Prüfung durch einen Fachanwalt bestätigt, dass Regressansprüche weder bei den Handwerkern noch bei den Planern geltend zu machen sind.
Was ist passiert? Die vor 12 Jahren im Ober- und Dachgeschoss im Bereich des Fachwerkteils durchgeführten drei Gewerke ‚Putzer-, Zimmermanns- und Klemptnerarbeiten wurden in hohem Maße unfachgemäß und mangelhaft ausgeführt. Weder die VG-Bauverwaltung noch der damalige Ortsbürgermeister trifft jedoch eine Schuld. Aber scheinbar hat weder das beauftragte Architekturbüro noch die seinerzeit als Projektsteuerer beauftragte „Kommunalbau“ ihre Bauaufsicht auch nur im Ansatz wahrgenommen, so die Gutachter.
Das über 100-seitige Schadengutachten listet eine Reihe eklatanter Ausführungsmängel auf, die beim Lesen Kopfschütteln und Ratlosigkeit hinterlässt: Verwendung falscher Putzmaterialien, falsche Putzverarbeitung, fehlende Verbindung zwischen den einzelnen Putzschichten, Einbau zu feuchter Fachwerkhölzer, mangelhafte Verarbeitung der Fenstersimsflächen, und vieles mehr!
Die Folgen: die Fachwerkhölzer sind geschrumpft, Hohlspalten zwischen den Holz- und Putzmaterialien, bei Schlagregen drang Wasser in den Gebäudekörper ein, die Schäden an Holz und Putz vergrößert haben. Einige historische Fenster sind inzwischen irreparabel und an etlichen Stellen konnte der Gutachter mit entsprechendem Werkzeug das Fachwerk ohne Widerstand „durchreichen“.
Rückblick: Im Sommer 2019 löste sich flächenhaft der Ober- vom Unterputz ab und stürzte zu Boden. Dies veranlasste letztlich Ortsbürgermeister Becker-Theilig der Sache auf den Grund zu gehen. Seit fast einem Jahr sorgt deshalb das Schutzgerüst für die Fußgänger für entsprechende Sicherheit vor den zu Boden fallenden Putzteilen.
Aber damit nicht genug: Im Rahmen der Schadenserkundung musste festgestellt werden, dass im Vorzimmer des Ortsbürgermeisters ein eigentlich tragender Deckenbalken durch haarsträubenden Baupfusch keinerlei Tragfähigkeit für das darüber liegende Dachgeschoss aufwies. Folge: die Räume mussten umgehend evakuiert, mit Sprießen gesichert und danach das darüber liegende Gemeindearchiv durch Räumung entlastet werden. In der Zwischenzeit ist dieser Mangel behoben. Dennoch ließe sich die Mängelliste fortführen ….
Seit Sommer 2020 wurde das Büro des Ortsbürgermeisters in die Büroräume der neuen Turn- und Gymnastikhalle am „Uwe-Zeidler-Ring“ verlagert. Das Erdgeschoss im „Historischen Rathaus“ mit dem Grezzana-Saal kann glücklicherweise u.a. für Besprechungen noch benutzt werden.
Wie geht es weiter? Laut Ortsbürgermeister befindet man sich im komplizierten Ausschreibungsverfahren für die Planungsleistungen; im Laufe des Jahres 2021 sollen die umfangreichen Sanierungsarbeiten beginnen. Dauer mindestens ein halbes Jahr, eher länger.
Thomas Becker-Theilig fasst zusammen. „Wir erwarten Sanierungskosten in Höhe von mehr als 500.000 €! Geld, das eigentlich für Zukunftsprojekte vorgesehen war!“
Wolf-Ingo Heers